Sicherheit am Arbeitsplatz

Nachdem Herr S. an seinem Arbeitsplatz eine Anfall hatte, wurde er sofort vom Betrieb freigestellt. Der Arbeitgeber befürchtete weitere Anfälle bei der Arbeit und beantragte daraufhin beim Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung.

Immer wieder werden Entscheidungen zu beruflichen Einsetzbarkeit auf Grundlage von nicht nachvollziehbaren Gründen getroffen. Dabei ist vielen der in diesen Entscheidungsprozessen Beteiligten – wie den behandelnden Ärzten, Neurologen, den Betriebsärzten und den Fachkräften für Arbeitssicherheit – das Vorgehen nach den berufsgenossenschaftlichen Informationen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit BGI 585 nicht bekannt, so dass Arbeitnehmer mit Epilepsie ihren Arbeitsplatz ungerechtfertigt verlieren.

Dabei führt das Bundessozialgericht in einer Urteilsbegründung zu einer Klage über die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung vom 12.12.2006 unmissverständlich aus: „Nur auf dieser Grundlage (gemeint sind die BGI 585, Anm. des Verf.) werden Feststellungen zur beruflichen Einsetzbarkeit eines Epilepsiekranken nachvollziehbar“. In der BGI 585 wird die Art der epileptischen Anfälle in eine Gefährdungskategorie eingeordnet und ins Verhältnis zur Art der Tätigkeit gesetzt. So lässt sich erkennen, ob mit einer bestimmten Art und Häufigkeit von Anfällen eine Tätigkeit möglich ist oder nicht.

Ist der Arbeitnehmer mit Epilepsie als Schwerbehinderter anerkannt und mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 oder mehr sowie einem GdB von 30 und Gleichstellung der Agentur für Arbeit versehen, muss der Arbeitgeber einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt stellen, bevor er dem Mitarbeiter die Kündigung aussprechen darf. In diesem Kündigungsschutzverfahren prüft der Sachbearbeiter des Integrationsamts, ob der Mitarbeiter mit Epilepsie trotz seiner Anfälle seine Arbeit ausführen kann oder welche Maßnahmen zur Arbeitssicherheit durchgeführt werden müssen, damit der Arbeitsplatz erhalten bleiben kann oder ob gegebenenfalls eine Umsetzung innerhalb des Betriebes möglich ist. Hierbei werden die Kündigungssachbearbeiter durch die technischen Berater der Integrationsämter unterstützt. Die technischen Berater sind als Ingenieure dafür qualifiziert, zusammen mit dem betrieblichen Fachkräften für Arbeitssicherheit und den Betriebsärzten Maßnahmen zur Gestaltung des Arbeitsplatzes und zur Arbeitssicherheit zu entwickeln. Hierbei wird der Arbeitsplatz auf seine Arbeitssicherheit untersucht. In mehreren Schritten wird versucht, die Sicherheit am Arbeitsplatz zu optimieren. Folgende Schritte werden dabei auf Notwendigkeit und Umsetzbarkeit mit den betrieblichen Fachleuten diskutiert:

  1. Gefahrenquelle beseitigen
  2. Abschirmen vor der Gefahrenquelle
  3. Räumlich, zeitliche Trennung von der Gefahrenquelle
  4. Persönliche Schutzausrüstung
  5. Sicherheitsgerechtes Verhalten.


Häufig stellt sich heraus, dass der epilepsiekranke Mitarbeiter trotz bestehender Anfälle an seinem Arbeitsplatz verbleiben kann oder an einen adäquaten anderen Arbeitsplatz umgesetzt werden kann.

In keinem Lebensbereich ist es möglich das Risiko auf Null zu reduzieren. Zu prüfen bleibt, ob das Risiko höher als das alltägliche Gefahrenrisiko ist und ob bestehende Risiken akzeptiert werden können, weil die Schadensfolgen nicht schwerwiegend und reversibel sind.

Wer haftet nun, wenn es anfallsbedingt zu einem Unfall im Betrieb kommt? Verunfallt ein Mitarbeiter am Arbeitsplatz aufgrund eines epileptischen Anfalls, handelt es sich hierbei in den Fällen, in denen die Schadensfolgen alltäglich sind, nicht um einen Arbeitsunfall. Die Ängste der Unternehmen im Falle eines epilepsiebedingten Unfalls im Betrieb persönlich haftbar gemacht zu werden, sind hier also unbegründet. Handelt der im Betrieb für die Arbeitssicherheit Verantwortliche nicht grob fahrlässig, und wird die Einsetzbarkeit des Mitarbeiters mit Epilepsie im Rahmen der BGI 585 überprüft, können die Risken minimiert und gegenüber dem Arbeitgeber also keine Haftungsansprüche geltend gemacht werden. Der Weiterbeschäftigung des epilepsiekranken Mitarbeiters steht dann nichts mehr im Wege.

Dipl.-Ing. Univ. Gerhard Kreis,
Technischer Berater beim Integrationsamt München

Info:

Die berufsgenossenschaftlichen Informationen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit BGI 585 sind im Internet zu finden unter www.arbeitssicherheit.de/arbeitssicherheit/html/modules/bgi550599/550-599/bgi585.pdf

Hinweis:

In der nächsten Ausgabe des epiKurier folgt ein Artikel zur Epilepsiebehandlung für Berufstätige von Dr. med. Stephan Arnold. Der Autor ist wissenschaftlicher Berater des Netzwerks Epilepsie und Arbeit (NEA)

 

Die Redaktion