ICISS

Prof. Dr. Gerhard Kurlemann
Prof. Dr. Dietz Rating

Internationale Studie zur Behandlung von Epilepsien mit BNS-Anfällen


Die Epilepsien mit BNS-Anfällen gehören mit zu den schlimmsten Epilepsien. Manchmal sehen die Eltern das Unheil kommen.

Die Geburt war durch einen Sauerstoffmangel kompliziert, die Frühgeburtlichkeit oder ein Unfall in der frühen Säuglingszeit hatte zu einem Hirnschaden geführt – die Eltern wissen, dass als Folge dieser Probleme eine Epilepsie auftreten kann. Aber manchmal triff es alle auch ganz unvorbereitet – das Kind war gesund, es entwickelte sich ganz normal, bis es eines Tages auf einmal verändert erschien.

Es war nicht mehr so wach, so kontaktfreudig, reagierte nicht mehr auf Ansprache. Es machte einzelne, abrupte Bewegungen: die Arme gingen gestreckt nach vorne, die Beine wurden abrupt angehoben, der Kopf nach vorne gebeugt. Oder aber das Kind streckte sich und machte sich kurz steif. Alle Anfälle waren sehr kurz, dauerten nur 1 – 2 sec. Im Anfang waren es nur einzelne Zucker/Rucker, dann traten sie kurz nacheinander in immer länger werdenden Serien auf.

Die Kinderärzte kennen das Krankheitsbild gut und in der Regel wird heute in der Zusammenschau von EEG und Anfällen die beschreibende Diagnose „Epilepsie mit BNS-Anfällen“ rasch gestellt.

Weitergehende Untersuchungen sind dann notwendig, um die Ursache der Epilepsie aufzudecken:

  • das CT/MR mit der Frage nach umschriebenen Hirnschädigungen oder Hirnfehlbildungen.
  • Stoffwechseluntersuchungen, da einige Stoffwechselerkrankungen mit dieser Epilepsie einhergehen.
  • genetische / molekulargenetische Untersuchungen, da einige der Krankheitsbilder genetisch bedingt sind. 


Bei einem Teil der Kinder aber findet sich auch heute noch kein befriedigender Grund, warum die Epilepsie auf einmal begonnen hat.

Es stellt sich dann die Frage nach der Therapie. Diese Frage wird immer dringlicher, da das Kind von Tag zu Tag verfällt, Funktionen, die es schon erlernt und sicher beherrscht hatte, wieder verliert. Jeder Monat, der verstreicht, ohne dass es gelungen ist, die Anfälle zu unterbrechen, führt zu einem Verlust an Entwicklungspotenz. Nur wenn die Anfälle rasch kontrolliert sind, können die Kinder sich entsprechend ihrer Grunderkrankung weiterentwickeln.

Früher wurden nahezu alle Kinder mit ACTH, einem Hormon aus der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), behandelt. Aber diese – damals zudem sehr hochdosierte - ACTH Therapie hat erhebliche Nebenwirkungen: „Cushing-Syndrom“ (mit Stammfettsucht und Stiernacken); Entkalkungen der Knochen (Osteoporose) mit Einbrüchen der Wirbelkörper; Verkalkungen der Nieren, der Bauchspeicheldrüse; starke Wesensveränderung der Kinder. Sie haben gleichzeitig  ein hohes Risiko, an sich rasch entwickelnden bakteriellen Infektionen zu erkranken; einige versterben sogar im septischen Schock.

ACTH stimuliert die Nebenrinde und bewirkt eine stark erhöhte Ausschüttung des dort gebildeten Hormons Cortisol. Die direkte Gabe von Cortisol hat ebenfalls einen, vielleicht nicht ganz guten Effekt wie ACTH auf die BNS-Anfälle. Es werden im Prinzip die gleichen, etwas geringer ausgeprägten Nebenwirkungen gesehen. Ein Vorteil des Cortisols (chemisch: Prednisolon) ist, dass es als Tablette, ACTH jedoch i.m. gegeben werden muss.

Die Therapie mit Prednisolon oder ACTH – auch wenn ACTH heute deutlich geringer dosiert wird - muss wegen der schweren Nebenwirkungen nach 4 - 6 Wochen beendet werden; häufig treten dann mit Absetzen der Hormone die Anfälle erneut wieder auf.
Daher wurden und werden zahlreiche andere Medikamente als Erst-Therapie bei Epilepsien mit BNS-Anfällen versucht – die Liste ist lang: Vigabatrin, Sultiam, Vitamin B6, Topiramat, Valproat, Rufinamid, Carbamzepin, verschiedene Benzodiazepine … .
Die Standard-Behandlung der Epilepsien mit BNS-Anfällen ist somit seit Jahrzehnten umstritten und es gibt keine, von allen Experten akzeptierte Erst-Therapie. Gleichzeitig behandeln aber auch große Kinderkliniken nicht so viele Patienten mit dieser Epilepsieform, als dass sie in eigenen wissenschaftlichen Studien die so wichtige Frage beantworten könnten, ob das Medikament A dem Medikament B überlegen sei. Eine Kooperation der Kliniken ist daher unausweichlich.

Die Kinderonkologen machen es uns seit mehr als 30 Jahren vor, welche Fortschritte in der Behandlung von Krebserkrankungen des Kindesalter erzielt werden können, wenn man sich zusammenschließt, man alle Kinder nach einheitlichen Protokollen behandelt. Ausgehend von einer Standardtherapie wird immer wieder ein anderes Detail des Behandlungsprotokolls verändert, um so zu erfahren, ob dies zu besseren Ergebnissen führt. Die Akute Lymphatische Leukämie (ALL) hatte in den 70-ger Jahren eine Überlebenschance von nur 20%, während heute mehr als 80% der Kinder geheilt werden können.

Trotz dieses Vorbildes ist es den Kinderepileptologen in Deutschland nicht gelungen, eine vergleichbare Kooperation aufzubauen.
Eine Arbeitsgruppe um Prof. John Osborne in Bath / GB hat sich nun dieses Problems mit britischem Pragmatismus angenommen. In einer ersten Studie, die nur in Großbritannien lief und an der sich dort mehr als 150 Kinderkliniken beteiligten, konnte nachgewiesen werden, dass bezgl. der Kontrolle kein großer Unterschied zwischen ACTH und Vigabatrin bestanden. Die Studie brachte aber Hinweise, dass es für die motorische und kognitive Entwicklung der Kinder eminent wichtig zu sein scheint, das Anfallsgeschehen frühzeitig zu stoppen und das EEG möglichst rasch zu normalisieren.

Ausgehend von diesem Befund wurde daher in Bath die multizentrische randomisierte International Collaborative Study of Infantile Spasms (= ICISS) aufgelegt. In der ICISS-Studie wird untersucht, ob die zusätzliche Gabe von Vigabatrin zur Hormontherapie (mit ACTH oder Prednisolon) bezgl. der Anfallsfreiheit als auch der Entwicklung zu besseren Ergebnissen führt. Um diese Fragen zu klären sind 450 Patienten notwendig, die in der Studie in einem der beiden Therapiearme behandelt werden. Indem man in kommenden Studien Risikofaktoren definiert und je nach Risiko die Therapie intensiviert/verlängert oder aber auch abschwächt und verkürzt, wird es gelingen, die optimale Therapie der Epilepsien mit BNS-Anfällen in Abhängigkeit von den verschiedenen Grunderkrankungen zu finden.  
Die aktuelle ICISS-Studie untersucht bei Patienten mit neu-diagnostizierter Epilepsie mit BNS-Anfällen (und ohne medikamentöse Vorbehandlung) u.a. folgende Fragestellungen:

  1. Ist die ACTH-Therapie (gegeben als Spritze i.m.) der Prednisolon-Therapie (als Tabl. gegeben)  überlegen?
  2. Führt die zusätzliche Gabe von Vigabatrin zu besseren Ergebnissen der Anfallsfreiheit?
  3. Führt die zusätzliche Gabe von Vigabatrin zu einer rascheren Kontrolle der Anfälle bzw. Normalisierung des EEG?
  4. Hat diese raschere Normalisierung einen Einfluss auf die motorische und kognitive Entwicklung im Alter von 18 Monaten?
  5. Verhindert die zusätzliche Gabe von Vigabatrin einen Rückfall, der sonst ja so oft bei Absetzen der Hormone zu beobachten ist?


Die ICISS Studie läuft inzwischen an mehr als 100 Kinderkliniken in Großbritannien, an 3 Kinderkliniken in der Schweiz; Neuseeland und in Australien wollen sich beteiligen.

Obwohl die Studie von der Industrie finanziell nicht unterstützt wird, um z.B. Organisationen zu bezahlen, die üblicherweise solche Studien planen, koordinieren und durchführen, liegen inzwischen die Genehmigung der Aufsichtbehörden (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM); Ethikkommissionen) zur Durchführung dieser Studie auch in Deutschland vor - ein hartes Stück Arbeit. Seit 3 Monaten sind Studienzentren an 11 Kinderkliniken in Deutschland zugelassen, eine Reihe von Kinderkliniken tragen noch die Unterlagen für die Zulassung zusammen.

Alle Kliniken haben auf jede Kostenerstattung verzichteten, keiner der Studienärzte erhält eine finanzielle Vergütung für die zusätzliche Arbeit in der Studie; dennoch braucht die Studie Geld. Zwar haben BfArM und die meisten Ethikkommissionen ihre Gebührenrechnung für die Prüfung der Studienunterlagen reduziert, einige wenige haben auf die Gebühren ganz verzichtet, dennoch sind inzwischen inklusive der Studien-Versicherung Rechnungen von mehr als 15.000 € aufgelaufen.

Ursprünglich hatte die Studienleitung in Bath erklärt, dass sie die Kosten übernehmen würde, Fakt ist jedoch, dass Bath überwiegend von der britischen Epilepsie-Selbsthilfe finanziert wird: Patienten, Eltern von Patienten mit Epilepsie sammeln bei Charity-Veranstaltungen Pennys und Pfundbeträge - wir sollten versuchen, den deutschen Anteil der Studie selbst zu finanzieren.
Die BRONNER/BENDER-Stiftung mit Sitz in Baden-Baden hat als Hauptsponsor mehr als 7.000 € bereitgestellt, um die Anschubfinanzierung zu sichern. Die Deutsche Gesellschaft für Epileptologie und die Gesellschaft für Neuropädiatrie haben Geld bereitgestellt und  Ausfallbürgschaften übernommen.

Aber es fehlen noch Gelder, um die Durchführung der Studie zu sichern. Daher dieser Aufruf,  zu spenden oder Spenden einzuwerben, damit diese wichtige Studie vollendet werden kann.

Gleichzeitig ergeht der Aufruf, dass Kinder mit einer neu-diagnostizierten Epilepsie mit BNS-Anfällen in die Studie aufgenommen werden. Es ist für Eltern sicherlich sehr schwer, ihr Kind für „Studienzwecke zur Verfügung zu stellen“ – aber: ICISS ist keine experimentelle Studie, die ein ganz neues Medikament prüft. Es werden nur Medikamente eingesetzt, die bereits jetzt und in dieser Kombination in vielen Kliniken in Deutschland und Europa eingesetzt werden. Es geht darum, wissenschaftliche zweifelsfrei nachzuweisen, wie gut die derzeitige Hormon-Therapie ist und ob die gleichzeitige Gabe von Vigabatrin einen Zusatzgewinn bringt.
Sie würden mit der Erlaubnis zur Teilnahme Ihres Kindes an dieser Studie eine große Hilfe leisten nicht nur den Leuten, die aktuell die Studie planen und durchführen, sondern auch all den Kindern, die heute noch gar nicht geboren sind, aber in 3, 5 oder 10 Jahren an einer Epilepsie mit BNS-Anfällen erkranken werden. Nur wenn wir jetzt eine rationale Therapie entwickeln, können wir diese Kinder in Zukunft optimal behandeln.

Bitte helfen Sie bei der Durchführung der ICISS zur Behandlung der Epilepsien mit BNS-Anfällen in Deutschland.
Link auf ICISS im Internet: Öffnet externen Link in neuem Fensterhttp://www.bath.ac.uk/health/research/iciss/parents/index.php

Prof. Dr. D. Rating
Heidelberg/Ludwigshafen

Wer die Studie finanziell unterstützen möchte, kann das mit einer Spende auf das Konto des e.b.e. bei der

Stadtsparkasse Wuppertal
Kontonr.747592
BLZ 33050000 
Als Verwendungszweck bitte ICISS angeben!

Eine Liste der Deutschen Studienzentren kann demnächst auf www.epilepsie-elternverband.de eingesehen werden