Mario Andretti

In dieser Ausgabe des Epikuriers habe ich die Ehre und das Vergnügen den im Saarland aufgewachsenen, italienisch-deutschen stämmigen Opernsänger Mario Andretti  (44), der allerdings seine Karriere 1983 unter seinem Geburtsnamen Mario Andres startete befragen zu dürfen. Einen Mann, den seine schreckliche Krankengeschichte nicht aufhalten konnte. Durch eine Blutvergiftung verlor Andretti die Milz und eine Niere, bekam mehrere Hirnblutungen, wurde am Herzen operiert und fiel für dreieinhalb Wochen ins Koma. Als er wieder aufwachte saß er im Rollstuhl, lernte wieder neu zu laufen, zu essen und die einfachsten Dinge, die nicht ganz so selbstverständlich sind wie wir häufig glauben. Als Erinnerung an diese schwere Zeit blieb ihm die Epilepsie, wegen der er sich die ersten Jahre zurückzog, nur um dann, wie Phoenix aus der Asche wieder auf zu steigen.
Mario Andretti wurde einst von Luciano Pavarotti, als „Pavarotto tedesco“, übersetzt, „der deutsche Pavarotti“ bezeichnet. Eine der wohl höchsten Auszeichnungen die man als Opernsänger bekommen kann. Sein internationaler Durchbruch stand unmittelbar bevor, die Terminbücher waren voll, als Andretti die ersten vermeintlichen Grippesymptome bekam. Im Januar 2000 klappte er im Anschluss einer TV Aufzeichnung zusammen und durchlitt mehrere Wochen falscher Diagnosen und Behandlungen. Mehrere Antibiotika wirkten nicht und erst seine Mutter bemerkte sein schiefes Gesicht, was wahrscheinlich schon das erste Anzeichen einer Gehirnblutung war. In der Uniklinik Frankfurt diagnostizierte man eine Staphylokokken Vergiftung, die bereits den ganzen Körper des Sängers ergriffen hatte. Die Ärzte legten Mario Andretti in ein künstliches Koma und operierten ihn in einer Woche viermal. Als er wieder aufwachte war er links- und rechtsseitig gelähmt und innerlich hin- und her gerissen. Auf der einen Seite fühlte er das Wunder und die Dankbarkeit noch am Leben zu sein und auf der anderen Seite die Verzweiflung über das plötzliche Ende dieser sehr aussichtsreichen internationalen Karriere.

In der Reha verhießen die Ärzte keine gute Prognose und zweifelten daran, dass er je wieder eine Bühne betreten würde. Doch genau das löste den Kampfgeist in Andretti aus und er begann den Kampf gegen seinen gelähmten Körper. Die ihn betreuenden Behandler ließen sich Andrettis Musik mitbringen und spielten diese während der Reha-Übungen. Daraus konnte der Musiker eine unbändige Kraft und auch Mut ziehen. Nach 11 Wochen Höchstleistungen schaffte es der damals 33 Jährige  aufrecht aus der Klinik zu gehen - zwar mit einem Steh - Rollator - aber aufrecht.

Als er wieder Zuhause war, setzte der Hausarzt aprupt das Antiepileptikum ab, das ihm in der Klinik prophylaktisch verordnet worden war. Normalerweise sollte ein Antiepileptikum stets ausgeschlichen werden, doch der Hausarzt tat dies aus Unwissenheit nicht. Ein Fehler, wie sich später heraus stellen sollte. Kurz darauf kam der erste epileptische Anfall. Er hatte ein Ziehen und komisches Gefühl im Kopf, seine linke Hand zitterte. Mario Andrettis  Ex- Ehefrau konnte den Anfall schnell diagnostizieren, denn durch ehrenamtliche Erfahrung als Sanitäterin beim DRK waren ihr Krampfanfälle nicht unbekannt. Ein Rückschlag für den gerade wieder Hoffnung schöpfenden Künstler. Ab diesem Zeitpunkt kamen die Anfälle genau alle 26 Tage, pünktlich wie ein Uhrwerk. Ein Phänomen, wie auch Andretti betont.

Zuerst zog er sich zurück, war erneut aus der Bahn geworfen. Doch auch hier kehrte er ins Leben zurück und bekennt sich offen zu seiner Epilepsie. Mehr noch, er engagiert sich breitflächig für Behinderte und notleidende Menschen, um im Endeffekt nicht nur zu helfen sondern auch aufzuklären. Unter dem Dach des Epilepsie Fördervereins Hessen, wo Andretti Mitbegründer ist,  findet man auch das „Mario Andretti Epilepsie Forschungsprojekt International“. Initiativen, die dem Sänger zwar schon einige Auszeichnungen einbrachten, auf welche er aber keinen Wert legt. Ihm geht es nur um die „christliche Nächstenliebe“.
Mario Andretti wurde medikamentös sehr gut eingestellt und versucht seinen Anfallsauslöser Negativ - Stress zu vermeiden. Sicher nicht ganz einfach für den lebensbejahenden Opernsänger, doch in Kombination der hervorragenden medikamentösen Einstellung und positive Körperbeherrschung (sprich durch Biofeedback) hat er sein Anfallsrisiko und  eventuelle Anfälle voll im Griff, wie er betont.

Anderen Menschen würde er den Rat geben so normal wie möglich mit sich selbst und ihrer Erkrankung umzugehen. Umso normaler dies geschieht, desto normaler wird dies auch die Umwelt tun. Auf die Frage warum so viele Prominente ihre Epilepsie verschweigen antwortet Andretti, dass ihnen wohl der Mut fehle. Die Maschinerie hinter den Kulissen ist hart und das ist das eigentliche Problem.

Der heute 44 jährige Saarländer mit den italienischen Wurzeln, hatte in diesem Jahr sein musikalisches Comeback. Am 20.03.11 startete er mit seinem ersten Konzert in seiner Heimatstadt Beckingen. Auf seiner Homepage http://www.mario-andretti.com kann man sich über den Verlauf seiner Karriere, seine Musik und auch seine Krankheitsgeschichte und Projekte informieren. Ein absoluter Hörtipp ist die Musik dieses außergewöhnlichen Künstlers, ein Lebenstipp sein Kampfgeist. 

Vielen Dank an Mario Andretti,

Ihre Anja D. Zeipelt