„Ärztelatein“

Preisgekrönter Service: Medizinstudenten übersetzen Arztbefunde in verständliche Sprache


Arztbefunde wimmeln nur so von Fachbegriffen, betroffene Patienten verstehen oft nur die Hälfte ihrer Erkrankung und fühlen sich hilflos und allein gelassen. Diese Situation brachte die beiden Medizinstudenten Anja Kersten und Johannes Bittner sowie Diplom-Informatiker Ansgar Jonietz aus Dresden auf die Idee, ärztliches „Fachchinesisch“ in klare Sprache zu übersetzen – und dies kostenlos.

Die drei stellten einen ersten Prototypen von www.washabich.de ins Netz und waren erstaunt, dass sie innerhalb weniger Minuten die erste Anfrage eines Patienten auf dem Computer hatten. Nach einer Woche war die Nachfrage so groß, dass sie diese zu dritt nicht mehr bewältigen konnten.

Und so funktioniert das Ganze: Der Patient lädt seinen Befund anonym auf der Seite hoch oder sendet ihn per Fax ein und erhält innerhalb weniger Stunden oder - im Fall von schwierigen und komplexen Befunden - nach ein bis zwei Tagen eine leicht verständliche Übersetzung.

Nach dem großen Erfolg des Portals seit dem Start im Januar 2011 kommen die drei Initiatoren nicht mehr selbst zum Übersetzen, sondern sorgen für die Koordination der vielen Patientenanfragen und deren Übersetzungen. Fast 500 Medizinstudenten von Fakultäten aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden haben seither mehr als 6.500 Befunde in unkompliziertes Deutsch übertragen.

Diagnosen stellen die Studenten allerdings nicht und geben auch keine Therapieempfehlungen – es ist eine reine Übersetzertätigkeit!

Im April wurden die drei Initiatoren mit dem Startsocial-Bundespreis ausgezeichnet, ein bundesweiter Businessplan-Wettbewerb zur Förderung sozialer Projekte und Ideen, im Oktober wird dem Team der Kulturpreis Deutsche Sprache 2012 verliehen (gemeinsam mit Schriftsteller Peter Härtling und der "Sendung mit der Maus").

Der große Erfolg hat jedoch auch seine Schattenseiten: „Wartezimmer - Wir melden uns bei Ihnen!“, so steht es momentan auf den Seiten von www.washabich.de zu lesen. Das heißt, wer einen Befund einreichen möchte, muss sich jetzt erst mit seiner E-Mail-Adresse in das virtuelle Wartezimmer setzen und wird dann umgehend informiert, wenn er diesen einsenden kann. Ist das Wartezimmer für den Tag bereits voll, hat man erst am folgenden Tag wieder die Möglichkeit, sich per E-Mail auf die Warteliste setzen zu lassen – die Parallelen zwischen Internet und realer Welt sind inzwischen schon erstaunlich …

Die Onlineplattform ist deshalb dringend auf der Suche nach Verstärkung. Medizinstudenten ab dem achten Fachsemester, die sich gerne sozial engagieren, können sich bei dem Team melden, das von einer "Win-Win“-Situation für alle Beteiligten spricht: Nicht nur der Patient profitiere von diesem Service, sondern auch die an dem Projekt beteiligten Studenten. Diese eigneten sich Fachwissen an und trainierten gleichzeitig, Patienten komplexe medizinische Sachverhalte leicht verständlich zu erläutern.

Doris Wittig-Moßner, Nürnberg