Mein Weg mit Epilepsie

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In loser Reihenfolge stellen wir immer wieder Betroffene vor, die uns ihren ganz eigenen Weg mit der Erkrankung schildern und uns zeigen, wie sie ihr Leben mit Epilepsie bewältigen. Hier die Geschichte von Noelia W., 12 Jahre, Schülerin – erzählt von ihrer Mama Martina:

 

Wann wurde bei Ihrer Tochter die Diagnose gestellt?

Noelia wurde mit einer leichten Hemiparese rechts geboren, vermutlich ausgelöst durch einen Schlaganfall im Mutterleib. Dies wurde aber erst im 1. Lebensjahr erkannt und festgestellt. Bis dato hatten wir laut Kinderarzt ein „gesundes Kind“. Ab neun Monaten kam es häufig zu Fieberkrämpfen, aber endgültig diagnostiziert wurde die Epilepsie mit sieben Jahren durch die Klinik. Ab hier behandelten wir Noelia auch schon parallel mit homöopathischen Mitteln durch unseren Hausarzt.

 

Auch nach der Medikamenteneinstellung traten ihre komplex-fokalen Anfälle regelmäßig alle 3 Wochen auf – mit mehrfachen Staten und diversen Klinikaufenthalten.

 

Wie erfolgte die Behandlung?

Unsere Tochter wurde in der Klinik auf Tabletten eingestellt, erst mit Oxcarbacepin, das langsam gesteigert wurde. Nachdem die Wirkung nicht zufriedenstellend war, kam noch Levetiracetam dazu. Alles wurde immer weiter hoch dosiert, ohne dass es zu einer Besserung kam. Im November 2014 begannen wir dann zusätzlich mit der homöopathischen Behandlung.

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Wie kamen Sie zur Naturheilkunde?

Nachdem die Anfälle immer schlimmer wurden, stand sogar eine OP am Gehirn im Raum. Dann gaben mir zwei Bekannte innerhalb einer Woche den Tipp mit der Naturheilkunde. Ich betrachtete dies sozusagen als „Zeichen“ und ließ mir einen Termin für Noelia beim empfohlenen Arzt für Naturheilkunde geben. Er kontrollierte zuerst die Laborwerte, machte eine Augen-Iris-Diagnose. Teilweise wurde auch hier die Schulmedizin angewandt. Dann kam die Homöopathin, mit der er zusammenarbeitet, an die Reihe und führte eine vollständige Entgiftung des Körpers durch, der Darm wurde ins Gleichgewicht gebracht –   alles mit selbsthergestellten Globuli, Kräuteressenzen etc. nach Hildegard von Bingen. Auch in der naturheilkundlichen Behandlung ist eine gewisse Konsequenz zur Präparat-Einnahme auf alle Fälle nötig.

 

Mit Noelias Anfällen ging es vorwärts und rückwärts, aber doch ganz langsam aufwärts. Sie wurden zum Schluss kürzer und schwächer, blieben dann ganz weg. Die Reduzierung der sehr hoch dosierten Medikamente dauerte insgesamt zwei Jahre. Zum Glück hatten wir einen Arzt (Allgemeinarzt) gefunden, der alles mittrug und uns seine Notfall-Nr. gab, unter der wir ihn immer erreichen konnten. Zwei Mal waren wir in dieser Zeit mit Noelia als Notfall in der Klinik, davon einmal wegen einer schweren Infektion, die aber mit der Naturheilkunde nichts zu tun hatte. Das EEG verbesserte sich ständig und seit November 2016 ist Noelia anfallsfrei.

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Wie war das in der Schulzeit? Wussten die Mitschüler und/oder Lehrer von der Epilepsie?

Die Mitschüler und Lehrer waren informiert. Viele konnten dennoch bis September 2016 nicht gut mit der Erkrankung umgehen. Die Klassenlehrerin interessierte es nicht, es gab sehr wenig Kommunikation bzw. fanden Gespräche bei Problemen nur auf Anfrage von uns Eltern statt. Das besserte sich durch Noelias neue Lehrkraft, die viel mehr Verständnis zeigt und auf das Krankheitsbild eingeht. Wenn wir jetzt ihr Zeugnis lesen, ist Noelia eine ganz andere Person …

 

Wir bekamen für Noelia eine Schul-begleitung, die am Anfang 25,75 Std. dabei war und jetzt ab September 2017 nur noch 10,75 Std. Ab September 2018 kann Noelia sogar die Montessori-Schule besuchen.

 

Haben die Anfälle Ihre Tochter irgendwie eingeschränkt? Wie war das mit Übernachten bei Freunden oder Klassenfahrten?

Noelia konnte nicht so unbeschwert aufwachsen wie andere Kinder in ihrem Alter. Wir als Eltern haben besonders auf unsere Tochter geschaut; ständig bewerteten wir ihre Verhaltensweisen. Bei anderen Kindern hat sie bis heute noch nicht übernachtet; im Frühjahr 2017 war dann erstmals ein Kind bei uns über Nacht. Bei Schulausflügen durfte Noelia immer mitfahren, allerdings waren wir als Eltern die ganze Zeit sehr angespannt, ob auch alles gut geht. Bei der hohen Medikamentengabe mussten wir immer sehr darauf achten, dass Noelia bald schlafen geht und ihre 10 Stunden auf jeden Fall einhält. Jetzt können wir das Ganze etwas lockerer angehen. J Viele Freizeitaktivitäten sind von uns als Eltern begleitet.

 

In Folge der hohen Medikation konnte Noelia manches gar nicht aufnehmen, sie kann sich an viele Dinge aus dieser Zeit gar nicht erinnern. Damals konnte sie nicht Lesen und Schreiben lernen, 5+3 = 8 war jeden Tag ein neues Erlebnis – das hat sich alles geändert.

 

Hatten Sie schon vor der Erkrankung Ihres Kindes von Epilepsie gehört? Haben Sie bereits Erfahrungen damit verbunden?

Wir als Eltern kannten Epilepsie; ich aus meiner Arbeit als Erzieherin, aber auch aus dem Bekanntenkreis. Wir wussten allerdings nicht, was alles damit verbunden ist.

 

Seit einiger Zeit gehen wir in die Eltern-Selbsthilfegruppe in Karlstadt, die über die Epilepsie Beratung in Würzburg organisiert wird. Die Treffen finden alle drei Monate statt. Bisher gab es aber dort noch keine Nachahmer in Sachen Naturheilkunde. Die Versuche wurden abgebrochen, weil eben viele der Kosten nicht von der Krankenkasse übernommen werden.

 

Ich würde das auf jeden Fall wieder machen. Wir haben geniale Erfahrungen gemacht, die uns für das restliche Leben weiterhelfen und man trifft immer wieder Leute, denen es genauso geht. Für uns hat ein neues Leben begonnen!

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Was ist Ihrer Meinung nach die größte Einschränkung für Ihre Tochter durch die Erkrankung?

Noelia hat wenig Freunde und Bekanntschaften im Dorf und der Alltag ist nicht so unbeschwert wie bei gesunden Kindern in ihrem Alter. Sie muss auf manches verzichten wie z. B. Klettern usw.

 

Verbinden Sie mit der Epilepsie auch etwas Positives?

Man wächst mit der Lebensaufgabe, ein an Epilepsie erkranktes Kind zu haben. Es schweißt die Partnerschaft zusammen, strapaziert sie aber manchmal auch. Das Alltägliche bekommt wieder eine besondere Stellung.

 

Wir haben dadurch viele wertvolle Menschen kennenlernen dürfen, was sonst nicht der Fall gewesen wäre. Klar haben wir auch Freundschaften im Bekanntenkreis verloren, wo sich aber die Frage stellt, ob es überhaupt welche waren?!

Was war Ihr negativstes Erlebnis in Bezug auf die Epilepsie?

Bei einer Mutter-Kind-Kur wurden wir aufgrund der Epilepsie von vielen Angeboten ausgeschlossen. Obwohl wir die Erkrankung vorher angegeben hatten, konnte man überhaupt nicht damit umgehen. Wir fühlten uns wie isoliert dort, auch für Noelia war das ganz schlecht. Jetzt ist bei der Kureinrichtung übrigens im Leitbild verankert, dass keine Kinder mit Epilepsie mehr aufgenommen werden …

Auch im Familienkreis findet man nicht immer Verständnis und Unterstützung. Für vieles muss extrem gekämpft werden.

 

Was war Ihr positivstes Erlebnis in Bezug auf die Erkrankung?

Wir haben dadurch Personen kennenlernen dürfen, die uns allen gut getan haben. Durch viele homöopathische Behandlungen und Entgiftungen konnte die Medikamentengabe auf 150-0-75mg gesenkt werden und Noelia ist seit November 2016 anfallsfrei.

 

Martina Will, Gemünden, will.m1973(at)freenet.de

zusammengefasst von Doris Wittig-Moßner, Nürnberg

 

PS: Was ich als ganz wichtig ansehe, ist es, trotz aller Probleme und Schwierigkeiten immer zu versuchen, nach vorne zu schauen und zu denken.

 

Auch sollte man sich darüber im Klaren sein, dass man auf die Schulmedizin nicht ganz verzichten kann. Sie ist als Notfallhilfe nicht wegzudenken.

 

Eine besonderes „Dankeschön“ möchten wir nach all den Jahren an alle richten, die uns auf unserem Weg begleitet und unterstützt haben.

 

Ein besonderer Dank geht auch an die Epilepsieberatungsstelle Würzburg, die immer ein offenes Ohr für uns Eltern hatte und sich einsetzte.