Projekt „MOND“
soll bessere Diagnose und Therapie ermöglichen
Die Details machen den Unterschied. Eine Epilepsie-Erkrankung kann in Form, Ursache und Ausprägung stark variieren. Zur Auswahl einer passgenauen Therapie ist es daher sehr wichtig, das individuelle Krankheitsbild genau zu kennen. Bislang sind Ärztinnen und Ärzte bei der Einschätzung der Anfallsfrequenz auf Schilderungen von Betroffenen und von Bezugspersonen angewiesen. Die Angaben sind jedoch oftmals unvollständig, da Anfälle nicht immer bewusst wahrgenommen werden.
An einer Lösung wird innerhalb des Projekts „MOND“ gearbeitet: Ein alltagstaugliches, mobiles Neurosensorsystem soll automatisch epileptische Anfälle erkennen und für die ärztliche Anamnese sowie zur Optimierung der Patientensicherheit dokumentieren. Koordiniert wird das im April 2020 gestartete Projekt durch das Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT, Institutsteil Hör-, Sprach- und Audiotechnologie in Oldenburg.
Der eingängige Projekttitel „MOND“ steht für die klare Zielsetzung des Vorhabens: Die konzeptionelle Entwicklung eines „Mobilen, smarten Neurosensor-systems für die Detektion und Dokumentation epileptischer Anfälle im Alltag“. Ein umfassend dokumentiertes Krankheitsbild von Epilepsie-Patientinnen und -Patienten wäre ein weitreichender Erfolg, da dieses eine passgenaue Diagnose und Therapie ermöglichen würde.
„Die Betroffenen selbst schätzen jedoch die Anfallshäufigkeit und -stärke oftmals falsch ein. Das kann unterschiedliche Ursachen haben. Die Symptome lassen sich nicht immer eindeutig zuordnen oder sie bleiben unbemerkt, wie z. B. im Schlaf. Wir schätzen, dass nur maximal die Hälfte der Anfälle bewusst wahrgenommen wird“, erklärt Prof. Dr. Rainer Surges, Direktor der Klinik und Poliklinik für Epileptologie am Universitätsklinikum Bonn.
Bisweilen ist eine automatische, mobile Dokumentation epileptischer Anfälle außerhalb des Krankenhauses nicht zuverlässig möglich. Ein solcher Ansatz würde jedoch vorhandene Lücken im Patientenbericht und in der Einschätzung des Therapieerfolgs schließen. Durch die Auswertung eines mobil erfassten Elektroenzephalogramms (EEG), also der elektrischen Aktivitäten des Gehirns, geht das „MOND“-Projektkonsortium neue, vielversprechende Wege. Diese sind aber auch mit großen Herausforderungen verbunden. Das EEG-Signal selbst und seine Interpretation sind komplex. Jegliche Muskel- und Bewegungsaktivität (Augenbewegung, Sprechen, Gehen) erzeugt starke Signalstörungen oder Verfälschungen von Messergebnissen. Diesen sogenannten „Artefakten“ will man im Projekt mit Methoden der künstlichen Intelligenz begegnen.
Ohrnahe Sensorik sorgt für Alltagstauglichkeit
Darüber hinaus gilt es, ein System zu entwickeln, das möglichst unauffällig und gleichzeitig mit hohem Komfort im Alltag getragen werden kann. Dr. Insa Wolf, Gruppenleiterin Mobile Neuro-technologien am Fraunhofer IDMT, erklärt: „Wir planen eine Datenerfassung mit einer am Ohr getragenen, mobilen Aufnahme-Einheit für EEG- und weitere Biosignale. Zwei verschiedene EEG-Systeme – eines im Ohr, das andere als flexible Klebeelektrode hinter dem Ohr – werden miteinander bezüglich Leistungsfähigkeit und Tragekomfort verglichen. Gerade durch die EEG-Daten erhoffen wir uns eine klinisch bedeutsame Verbesserung der Detektion epileptischer Anfälle.
Das Projekt „MOND“ wird gefördert durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) im Rahmen des Förderschwerpunkts „Digitale Innovationen für die Verbesserung der patientenzentrierten Versorgung im Gesundheitswesen, Smarte Sensorik“.
Experten aus der Technologie-Entwicklung und der klinischen Praxis, u. a. das Fraunhofer IDMT und die Universität Oldenburg, haben sich für dieses Projekt zusammengetan. Die Planung und Umsetzung der patientennahen Projektstudien erfolgt gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Marburg unter der Führung des Universitätsklinikums Bonn.
Pressemitteilung Juli 2020
Fraunhofer-Institut für Digitale
Medientechnologie IDMT
Weitere Infos:
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