stopSUDEP

Gemeinsam gegen den plötzlichen Epilepsietod

 

Liebe Frau Killinger,

dieses Jahr haben Sie bereits die Oskar Killinger Stiftung hier im epiKurier vorgestellt. Die Initiative ist nach Ihrem Sohn benannt, der 2019 mit 14 Jahren am plötzlichen Epilepsietod (SUDEP, Sudden Unexpected Death in Epilepsy) verstarb. Sie widmet sich dem Ziel, die Aufklärung zu SUDEP voranzutreiben. Die Stiftung ist jetzt auch mit der Webseite Sudep.de online präsent. Für wen ist die Seite gemacht?

 

Mit Sudep.de möchten wir Epilepsie- Patienten und ihre Angehörigen genauso erreichen wie Ärzte, die im Bereich Epilepsie beratend tätig sind. Unser besonderes Anliegen ist, fundierte und nachvollziehbare Informationen zur Verfügung zu stellen – deswegen verweisen wir auch auf die wissenschaftlichen Quellen. Fachlich unterstützt und beraten werden wir von dem Bonner Epileptologen Prof. Dr. Rainer Surges. Die Informationsplattform Sudep.de ist der erste Baustein unserer „stopSUDEP“-Kampagne, die in den nächsten Jahren möglichst flächendeckend über den plötzlichen Epilepsietod – und wie man ihn verhindern kann! – aufklären soll.

© Sudep.de

Welche Themen sprechen Sie auf Sudep.de an?

Der plötzliche Epilepsietod ist ein komplexes Thema. Das spiegelt sich auch auf Sudep.de wider. Wir erklären z. B. ganz konkret, was SUDEP ist, wie SUDEP nach derzeitigem Kenntnisstand abläuft und was man in Sachen Prävention tun kann. Sie finden Informationen zu Geräten zur Anfallsdetektion. Wir gehen der Frage nach, ob und wann Krankenkassen die Kosten für solche Geräte übernehmen. Wir lassen Menschen zu Wort kommen, die ihre Erfahrungen mit Epilepsie und SUDEP teilen (Rubrik „Offen reden“). Offenheit im Umgang mit den Gefahren einer Epilepsieerkrankung ist so wichtig, um plötzliche Epilepsietode zu verhindern – im Wortsinne überlebenswichtig! 

 

Ärzte informieren wir bspw. darüber, dass nach den aktuellen Leitlinien und den 2021 veröffentlichten Empfehlungen der Kommission Patientensicherheit der DGfE (Deutsche Gesellschaft für Epileptologie) frühzeitig über SUDEP und die Präventionsmöglichkeiten aufgeklärt werden muss. Die relevanten Leitlinien und Empfehlungen sind verlinkt bzw. stehen zum Download zur Verfügung. Intensiv befasst haben wir uns auch mit Leitlinien aus dem englischsprachigen Raum, die sämtlich eine umfassende und frühzeitige Aufklärung aller Patienten über SUDEP empfehlen und u. a. bestimmen, dass Patienten auf weiterführende Informationen und Patientenorganisationen hingewiesen werden sollen. Das haben wir bzw. unser Sohn als Patient so nie erlebt, das muss Wirklichkeit werden.

 

Ich denke, dass es uns gelungen ist, einen Wissensfundus zusammenzutragen, der sowohl den Ärzten als auch den Patienten ermöglicht, fundierte Entscheidungen in diesem überlebenswichtigen Bereich zu treffen. Wir hoffen, dass sich bei Ärzten und Patienten die Botschaft einprägt: SUDEP kann man verhindern! Wissen und Vorsorge retten Leben!

 

Haben Sie auch ein Thema, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Eigentlich sind es zwei Themen. Zum einen die „Erste Hilfe“. Hier zeigt sich, dass man als Mutter, Vater oder Freund ganz konkret etwas tun kann, um einen SUDEP zu verhindern. Man kann sich vorbereiten und für den Notfall „wappnen“.

 

Mit unserem Sohn habe ich einmal eine Situation erlebt, in der er nach einem nächtlichen Grand mal-Anfall nicht mehr geatmet hat. Ich habe hier nur intuitiv reagiert, ihn angeschrien, ihn geschüttelt. Dann war er wieder da. Im Nachhinein weiß ich nun, dass es sich bei dieser Situation um einen sogenannten Fast-SUDEP gehandelt hat, dass er ohne mein Eingreifen wahrscheinlich gestorben wäre. Das war mir damals nicht bewusst. Uns hatte Oskars behandelnder Arzt gesagt, dass es bei epileptischen Anfällen so aussehen könne, als würden Atmung und Herzschlag aussetzen, in Wahrheit sei dies aber nicht der Fall. Ich ordnete dieses Erlebnis daher – fälschlich, wie ich tragischerweise heute weiß – in den Bereich „sieht schrecklich aus, ist es aber nicht“ ein.

 

Wenn man weiß, dass es im Zusammenhang mit oder nach Anfällen zum Atem- und Herzstillstand kommen kann, kann man systematisch und zeitnah Erste Hilfe leisten – wie bei einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall – und das Schlimmste verhindern.

 

Wir sind daher sehr dankbar, dass uns der Arzt Dr. Martin Buchholz als stopSUDEP-Botschafter unterstützt. Dr. Buchholz ist Mitbegründer der Hamburger Herzretter-Initiative „Ich kann Leben retten!“.

 

Die Herzretter gehen in Schulen und Unternehmen und zeigen, was bei einem Atem- oder Herzstillstand zu tun ist. Durch ihn haben wir auch gelernt, dass die ersten drei Minuten bei einem Atem-stillstand entscheidend sind. Da gilt bei Epilepsie nichts anderes als beim Herzinfarkt. In einem solchen Fall reicht es nicht, auf den Notarzt zu warten. Man muss selbst eingreifen und mit einer Herzdruckmassage beginnen.

 

Wir empfehlen daher allen Angehörigen, Partnern oder Freunden von Menschen mit Epilepsie, sich regelmäßig in der Laienreanimation schulen zu lassen. Das ist etwas, was jeder leicht lernen kann, man muss es nur üben, verinnerlichen. Gerade das kann helfen, sich mental auf eine Notfallsituation vorzubereiten und dann richtig zu reagieren.

 

Das zweite Thema, das mir besonders am Herzen liegt, ist die ärztliche Aufklärungspflicht über SUDEP. Ärzten sollte bewusst sein, dass sie sich unnötigerweise erheblichen Haftungsrisiken aussetzen, wenn sie nicht über die Gefahren und die Vermeidung des SUDEP aufklären. Das Recht stellt die Patientenautonomie an erste Stelle. Dies bedeutet, dass der Patient selbst – und nicht etwa sein Arzt – entscheiden darf, ob er sich einem Todesrisiko aussetzt, indem er z. B. nachts alleine und ohne Alarmsystem schläft und niemand da ist, der rechtzeitig Reanimationsmaßnahmen durchführen kann.

© Sudep.de

Was sind Ihre nächsten Projekte mit der Stiftung?

Gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) werden wir am 20. Oktober 2021 in Berlin ein stopSUDEP-Symposium für Ärzte mit den ärztlichen Repräsentanten bundesdeutscher Fachorganisationen veranstalten. Aufklärung sollte ja zuallererst durch Ärzte erfolgen. Das Symposium soll der Auftakt sein für eine Reihe von Maßnahmen und Veranstaltungen der KBV rund um das Thema Epilepsie.

 

Parallel arbeiten wir an unserer Professionalisierung, so möchten wir uns multimedial weiter aufstellen. Einen YouTube-Kanal haben wir bereits, weitere Kanäle sollen folgen. Wir freuen uns auch über kreative Ideen, die an uns herangetragen werden. Mein persönliches Wunschprojekt wäre ein deutsches Epilepsietodesregister, das dazu beitragen kann, Epilepsietode besser zu verstehen und mit den bestehenden Registern in bspw. den USA und England kooperiert. Hier führen wir erste Gespräche. Auf Patientenseite wäre wichtig, dass diejenigen, die im Zusammenhang mit einer Epilepsie sterben, rechtsmedizinisch untersucht werden und eine Autopsie veranlasst wird.

 

Alle Projektideen sind getragen von dem Ziel, dass Ärzte und Patienten anfangen, miteinander über SUDEP zu sprechen, Fragen zu stellen, sich zu informieren. Nur das Wissen über SUDEP kann dazu beitragen, Leben zu retten. SUDEP ist in vielen Fällen vermeidbar. Schützen Sie sich und Ihre Liebsten!

 

Interview mit Dr. Iris-Maria Killinger

zusammengefasst von Doris Wittig-Moßner

 

Weitere Infos: www.sudep.de