Hilfsmittel – mehr als Basisausgleich
Wichtig sind Selbstbestimmung und Teilhabe
Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung sollen nicht nur gesundheitliche Defizite ausgleichen, sondern auch dazu beitragen, Menschen mit Behinderung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und ihre Teilhabe an verschiedenen Lebensbereichen zu sichern. Diese wichtigen Aspekte sind bei der Hilfsmittelversorgung ebenfalls zu berücksichtigen. Der Anspruch auf ein Hilfsmittel ist daher nicht nur auf eine „Minimalversorgung“ beschränkt.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat diese Tatsachen in seiner Entscheidung vom 7. Mai 2020 anlässlich eines Rechtsstreits um die Versorgung mit einem Therapie-Tandem durch die Krankenkasse aufgezeigt. Es begründete seine Auffassung mit dem geänderten Behinderungsbegriff des Bundesteilhabegesetzes (§ 2, Sozialgesetzbuch IX), dem Benachteiligungsverbot (Artikel 3, Absatz 3, Satz 2, Grundgesetz) sowie dem Recht auf persönliche Mobilität (Artikel 20, UN-Behindertenrechtskonvention). Verschiedene Gerichte haben sich zwischenzeitlich dieser Meinung angeschlossen und ähnliche Urteile im Sinne der Betroffenen gefällt.
Unter Berufung auf das oben zitierte Urteil des BSG verurteilte z. B. das Hessische Landessozialgericht (LSG) in seiner Entscheidung vom 5. August 2021 eine Krankenkasse, einen Querschnittsgelähmten mit einem Handbike zu versorgen, um seine Behinderung auszugleichen.
Die Krankenkasse hatte zuvor die Kostenübernahme eines billigeren Elektro-Rollstuhls angeboten – dieser würde ausreichen, um sich im Nahverkehr zu bewegen. Allerdings hätte der Betroffene damit Bordsteinkanten sowie andere Hindernisse nicht selbstständig überwinden können und eine Hilfskraft benötigt, die ihn beim Umsetzen unterstützt. Das Handbike konnte er jedoch ohne fremde Hilfe direkt an seinen normalen Faltrollstuhl anbringen und sich problemlos fortbewegen.
Sowohl die Richter der Vorinstanz als auch das Landessozialgericht bejahten den Anspruch des Versicherten: Das teurere Handbike als Hilfsmittel sei angemessen. Das Gericht verwies insbesondere auf das gesetzliche Teilhabeziel, ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben führen zu können. Der Ausgleich mittels Hilfsmittel sei nicht auf einen Basisausgleich beschränkt. Eine Revision wurde nicht zugelassen.
Fazit: Wer bei seiner Krankenkasse ein Hilfsmittel beantragt, das zur Mobilität beitragen soll, sollte bei Antragsstellung auch die oben genannten Punkte der Selbstbestimmung und Teilhabe berücksichtigen bzw. ausführlich darlegen.
Falls trotzdem eine Ablehnung kommt, Widerspruch einlegen und notfalls Klage einreichen!