Epivista ® - der elektronische Behandlungskalender Epilepsie

Ziel der Behandlung von Epilepsien ist Anfallsfreiheit. Wird sie nicht erreicht, muss zunächst die Diagnose überprüft werden. Im zweiten Schritt sollte die Behandlung überdacht und erforderlichenfalls verändert werden. An dieser Stelle tritt ein Problem auf, das dem behandelnden Arzt manchmal nicht bewusst wird. Planvolle, wissenschaftlich begründete, Therapiestrategien setzen zwingend voraus, dass der Arzt die gesamte bisherige Behandlung (Medikamente mit ihren Dosen, ggf. Blutspiegel) und ihre Auswirkungen auf die Anfälle überblickt. Wichtige Fragen sind z. B.: Welche Medikamente und Kombinationen wurden bisher gegeben? Welche Dosen wurden verordnet? Wie verhielten sich die Anfallshäufigkeiten mit Bezug auf die Medikamente?

Genau diese Fragen können in vielen Fällen nur vage oder überhaupt nicht beantwortet werden. Die Daten von Patienten mit langdauernden Epilepsien sind oft in mehreren Behandlungsstellen verstreut, wurden möglicherweise unvollständig übermittelt und sind nachträglich schwer abzurufen. Recherchen haben ergeben, dass sich auch ein langjährig behandelnder Arzt, der glaubt, seinen Patienten und dessen Krankheit gut zu kennen, über Einzelheiten des bisherigen Verlaufs der Epilepsie irren kann. Der Verfasser dieses Artikels nimmt sich dabei nicht aus. Selbst wenn im günstigen Falle alle Daten von Patienten mit langdauernden Epilepsien vorliegen, sind sie aus den Aufzeichnungen heraus meist schwer zu überschauen.

Foto: Prof. Günter RabendingUm diese höchst unbefriedigende Situation ein für allemal zu beseitigen und die bestmögliche Voraussetzung für eine wirksame Behandlung und ihre fortlaufende Kontrolle zu schaffen, wurde der elektronische Behandlungskalender Epilepsie - Epivista ® - entwickelt. Epivista ® ist eine Datenbank, die zur Aufnahme aller wesentlichen Behandlungsdaten bei Epilepsie geeignet ist. Das entscheidend Neue an Epivista ® ist, dass Anfälle pro Tag, Medikamente und ihre Tagesdosen sowie ggf. Blutspiegel in einem Diagramm über beliebige Zeitabschnitte dargestellt werden. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Auf diese Weise werden der Verlauf von Epilepsien und vor allem die Wirkung oder Nichtwirkung der Behandlung auf die Anfälle mit unübertroffener Genauigkeit erkennbar. Verläufe von Epilepsien werden wie nie zuvor transparent und können mit einem Blick erfasst werden. Ärzte erhalten mit diesen Verlaufsdiagrammen eine solide Grundlage für weitere Behandlungsentscheidungen. Patienten können das Behandlungsergebnis selbst verfolgen und kontrollieren.

Die Verwendung von Epivista ® erweitert die Eigenverantwortung der Patienten in der Behandlung von Epilepsien. Normalerweise können und sollten die Betroffenen den elektronischen Behandlungskalender in Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten selbst führen. Das wiederum setzt die Bereitschaft voraus, aktiv als Partner des Arztes an der Behandlung mitzuwirken. In manchen Fällen ist es erforderlich, dass die Angehörigen oder andere Hilfspersonen die Patienten bei der Verwendung von Epivista ® unterstützen. Im Übrigen ist die Verwendung von Epivista ® einfach: jeder, der einen Computer mit einem Schreibprogramm bedienen kann, wird auch mit Epivista ® fertig.

Im Vergleich zum bisherigen Anfallskalender werden zusätzlich zu den Anfällen durch den Patienten die Medikamente mit ihren Tagesdosen und die Werte der Blutspiegel dokumentiert. Außerdem können die Befindlichkeit in einer einfachen Skala, das Datum neurochirurgischer Eingriffe und bei Frauen die Tage der Periode eingegeben werden. Alle diese Eingaben erscheinen im Diagramm. Daneben ist es möglich, eine Vielzahl zusätzlicher Angaben zum Verlauf der Epilepsie zu machen. Diese Angaben können nur in gedruckter Form ausgegeben werden.

Das Führen des elektronischen Behandlungskalenders kann zu jedem Zeitpunkt im Verlauf einer Epilepsie begonnen werden. Die beste Aussage wird erreicht, wenn Epivista ® vom Beginn der Epilepsie an verwendet wird. Sofern Anfallskalender und Behandlungsdaten (Medikamente, evtl. Blutspiegel) vorliegen, kann die elektronische Dokumentation auch nachträglich ergänzt werden.

Die Übermittlung der Daten an den Arzt kann in verschiedener Weise erfolgen. Der Patient kann z. B. das Diagramm mitbringen und dem Arzt bei der Konsultation vorlegen. Wenn der Arzt Epivista ® auf seinem Computer installiert hat, stellt der Patient eine "Übermittlungsdatei" her, die er dem Arzt übergibt. Mit dieser Datei aktualisiert der Arzt die Daten des Patienten auf seinem Computer. Arzt und Patient können das Verlaufsdiagramm betrachten und diskutieren. Ggf. verändert der Arzt unter Berücksichtigung des Diagramms Art und/oder Dosierung der Medikamente.

Anfälle und Medikamente werden in dem Diagramm zeitgleich dargestellt. Die Medikamentwirkung kann so rasch und genau beurteilt werden. Der elektronische Behandlungskalender ist unabhängig vom behandelnden Arzt. Das ist ein Vorteil z. B. bei Wohnungswechsel oder beim Übergang vom Kinderarzt zum Neurologen wegen Erreichens der Altersgrenze. Jeder Arzt kann sich beim Betrachten des Diagramms sofort ein Bild vom Verlauf der Epilepsie und vom Weg der Behandlung machen und seine Schlussfolgerungen ziehen.

Da die Diagramme die Behandlungsdaten exakt und hochverdichtet enthalten, können sie auch Grundlage der Beratung zwischen mehreren Ärzten sein, wenn die Problematik des Verlaufs das erfordert.

Voraussetzung für die Verwendung von Epivista ® ist, dass der Patient/die Patientin bereit und willens sind, selbst entscheidend zur Behandlung der Epilepsie beizutragen. Einschränkungen sollen nicht verschwiegen werden. Ein Computer muss vorhanden sein, der Patient und seine Angehörigen müssen damit umgehen können.

Sorgfalt und Genauigkeit bei den Eintragungen sind unabdingbar. Fehlerhafte Eingaben führen zu falschen Schlussfolgerungen. Der elektronische Behandlungskalender Epilep- sie - Epivista ® - wird von der Desitin Arzneimittel GmbH, Weg beim Jäger 214, 22335 Hamburg, kostenlos an Ärzte und Patienten abgegeben. Der Verfasser dieses Artikels dankt der Firma Desitin für die Unterstützung, die das Projekt des elektronischen Behandlungskalenders vom Entwurf bis zur programmtechnischen Realisierung begleitet hat.

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Abb. 1. Pat. qv. Ausschnitt von dem Verlauf einer Epilepsie vom 1.6.1996 bis 31.12.1997. Darstellung Anfälle/Tag. Die Anfälle erscheinen als rote vertikale Balken, die kumulierten Anfallszahlen (Auflösung: Tage) sind als rote Treppenkurve dargestellt, Horizontale Abschnitte dieser Kurve bedeuten Anfallsfreiheit während dieser Zeit. Die Medikamente mit Tagesdosen erscheinen als horizontale Linien, Dosisänderungen als rechteckige Sprünge. Die Dreiecke entsprechen den Serumkonzentrationen der Medikamente in den entsprechenden Farben, maßgebend ist die Spitze der Dreiecke. (Auf das Diagramm klicken um da grosse Diagramm, Link öffnet neues Fenster)

Die Abszisse ist die Zeitachse, hier mit der Skalierung Monate. Die Zahlen unter der Ab- szisse bezeichnen das Ende des jeweiligen Monats. Die roten Balken unter den Monatsangaben entsprechen den Tagen der Periode. Die linke Ordinate gibt die Tagesdosen in mg (schwarze Zahlen) und die Serumkonzentrationen in mg/l (rote Zahlen) an. Die Werte der Carbamazepin- und der Gabapentinspiegel werden aus Gründen der Darstellung vom Programm mit 10 multipliziert, der abgelesene Wert ist durch 10 zu dividieren. Die rechte Ordinate gibt die Anfälle, der Auflösung entsprechend pro Tag an (schwarze Ziffern). Die rote Ziffer rechts neben dem Ende der Kurve für die kumulierten Anfälle entspricht der Gesamtzahl der Anfälle im dargestellten Zeitabschnitt.

Beschreibung des Diagramms: Die Patientin war seit September 1994 mit Carbamazepin, Gabapentin und Valproat anfallsfrei. Im Juni 1996 traten Blutbildveränderungen auf, die zum Absetzen des Carbamazepin zwangen. Danach kam es zum Rückfall. Lamotrigin führte (50 mg/Tag) zu vorübergehender Anfallsfreiheit. Nach dem erneuten Rückfall wurde Lamotrigin bis auf 400 mg/Tag aufdosiert, die Dosis von Valproat wurde ebenfalls erhöht. Daraufhin trat im Januar 1996 erneut eine vorübergehende Anfallsfreiheit auf.Nach Aufdosieren des Lamotrigin bis auf 550 mg/Tag hörten die Anfälle bis jetzt auf. Gabapentin wurde bereits im Februar 1997 abgesetzt.

Prof. Günter Rabending