Therapiehund für Menschen mit Epilepsie

In der vorletzten Ausgabe des epikuriers stand eine Meldung über Therapiehunde. Sinn dieser Hunde sei es, nahende Anfälle zu erkennen und den Menschen mit Epilepsie zu warnen, damit sich dieser ggf. in Sicherheit bringen kann. Es wurde gemutmaßt, dass sich der Körpergeruch vor einem Anfall verändern würde, weshalb der Hund den nahenden Anfall vorausahnen könne.

Andere Theorien spekulieren über die Wahrnehmung der elektrischen Felder, die sich bereits vor dem Anfall ändern.

Unsere Hunde benötigen keine Geruchsveränderung, um einen nahenden Anfall zu erkennen, da sie wesentlich bessere Beobachter sind als wir selbst. Mein Hund erkennt allein an der Art, wie ich vom Sofa aufstehe, ob ich in die Küche gehe, mich zum Spaziergang richte oder ins Bett gehen will.

Ich habe versucht, die Änderung in meinem Verhalten zu erkennen, ohne Erfolg. Auch absichtliches Verstellen mit lauter Kundgebung eines Spaziergangs oder "Gute Nacht Sagen" konnten meinen Hund nicht täuschen. Er blieb auf dem Sofa liegen und öffnete nicht einmal seine Augen. Wie sehr sich unser Verhalten ändern kann, noch bevor ein Anfall auftritt, sollen folgende Episoden zeigen:

Als Jugendlicher hatte mein Bruder einen lieben Collie, in den sich ein Mädchen mit Epilepsie "verliebt" hatte. Sie konnte stundenlang mit dem Hund spielen, lag mit ihm am Boden, den Kopf auf seine Seite gelegt, kurz ein einträchtiges Paar.

Eines Tages spielte sie gerade wieder mit dem Hund, als sich ihr Blick plötzlich verfinsterte, sie langsam nach hinten wich, als habe sie Angst vor dem Hund. Der Collie konnte sich nicht vorstellen, was er falsch gemacht hatte und blickte uns völlig verunsichert an. Kurze Zeit später erlitt das Mädchen einen komplex partialen Anfall.

Zwanzig Jahre später sitze ich mit meinem Chihuahua in einem IC-Großraumwagen. Der Hund zieht bald zwei Kinder an, die mit ihm spielen und ihn streicheln.

Plötzlich, ohne erkennbaren Grund weicht der Junge langsam vor dem winzigen Hündchen zurück mit verfinsterter Mine, als könne ihm der Zwerg gefährlich werden. Ich muss wohl laut gedacht haben: "Der bekommt ja einen Anfall", als die Mutter des Jungen hochspringt, um zu sehen, wer so etwas behauptet. Es stellte sich heraus, dass der Junge wirklich an Epilepsie litt und tatsächlich einen Anfall noch im Zug erlitt.

Dass Hunde sich um kranke Rudelmitglieder kümmern, ist bekannt. Da der Mensch als Rudelmitglied betrachtet wird, wird der Hund "seinen" Menschen auch schützen wollen, wenn es diesem nicht gut geht.

Wie ausgeprägt dieser Schutzinstinkt ist, ist nicht nur unter den Rassen, sondern auch innerhalb einer Rasse unterschiedlich. Mein Hund würde es keiner Person, nicht einmal meinen Eltern, gestatten, mein Zimmer zu betreten, wenn ich bewusstlos wäre.

Bei der "Ausbildung" eines "Epilepsiehundes" sehe ich folgende Schwierigkeiten:

  • Im Gegensatz zu Blindheit sind Epilepsien sehr unterschiedliche Krankheitsbilder. Es ist daher nicht möglich, einen Hund auf alle möglichen Anfallsformen zu trainieren.
  • Je nach Situation, müsste der Hund unter schiedlich "handeln". Die möglichen Situationen sind ebenfalls nicht nachzustellen und zu trainieren.
  • Der Schutzinstinkt des Hundes müsste "abtrainiert" werden, da im Zweifelsfall es der Arzt schwer hätte, zum Patienten zu gelangen, wenn der Hund den hilflosen Herrn "verteidigt".

    • Im Gegensatz zum Blinden ist der "hilflose" Epilepsiepatient in der entsprechenden Situation nämlich nicht mehr in der Lage auf seinen Hund einzuwirken.


Während der "Therapiehund" nicht "von der Stange" zu kaufen sein wird, kann ich einen Hund als Lebensgefährten aus eigener Erfahrung nur empfehlen. Wichtig ist, dass der Hund um seiner Selbst willen angenommen wird und nicht zu dem Zweck, als "Gebrauchshund" eine Funktion zu erfüllen.

Gerade beim Erkennen der nahenden Anfälle ist eine intime Beziehung notwendig, die bei "Gebrauchshunden" meist nicht gegeben ist. Der Hund kann nicht im Zwinger im Garten untergebracht sein, wenn er Anfälle erkennen soll. Er sollte auch dann geliebt werden, wenn es mit der Warnung vor Anfällen nicht klappt.

Vorteile eines Hundes sind:


  • Ständige Gesellschaft, der Hund ist treu und verlässt seinen Herrn in der Regel nicht. "Scheidungsraten" bei Hunden sind sehr niedrig, meist werden die Hunde vom Menschen verlassen.
  • Aktivierung des Herrchens/Frauchens. Der Hund braucht seine geregelten Spaziergänge, es ist nicht möglich, Tage zu verbringen, ohne das Haus zu verlassen.
  • Geregelte Lebensführung. Ein Hund braucht einen geregelten Tagesablauf, er braucht seine festen Zeiten, die er einfordert. Mein Hund schickt mich sogar abends ins Bett! Dieser geregelte Tagesablauf ist auch gut für Menschen mit Epilepsie (und alle anderen).
  • Kontaktbörse. Spaziergänge mit einem Hund laufen nie ohne Kontakt zu anderen Menschen ab. Man trifft andere Hundebesitzer und wird auch von Nichthundebesitzern angesprochen. Zu Personen, die man regelmäßig trifft, baut sich zwanglos ein Verhältnis auf.


Natürlich hat auch jede Medaille zwei Seiten. Nachteile sind:

  • Man ist nie allein, ein Hund bedeutet Verantwortung. Tage ohne Hund müssen ge- plant werden, der Hund benötigt einen "Hundesitter".

    • Manche Aktivitäten sind mit Hund nicht durchführbar. Zu viele Tage beim Hundesitter binden den Hund an diesen. Manche Hunde akzeptieren keinen Hundesitter.

  • Auch bei Regen und Schneewehen will/ muss der Hund Gassi gehen. Ein Tag im Bett ist nicht drin.
  • Auch am Wochenende will der Hund morgens raus, der Tagesablauf ist die ganze Woche "geregelt".


Des weiteren sollte man "Kassensturz" machen. Ein Hund benötigt nicht nur Futter, sondern auch regelmäßige Impfungen und manchmal auch einen Tierarzt bei Krankheit. Medikamente müssen voll bezahlt werden.

Die nächste, nicht unwichtige, Frage ist die nach der Rasse. Der Hund muss im Wesen und in der Größe zu seinem Herrn passen.

Für mich hat sich ein "Taschenhund" als ideal erwiesen. "Idefix" begleitet mich zu Kongressen, kann in jedes Lokal mitgenommen werden, auch in Hotels hatte ich noch nie Schwierigkeiten, selbst wenn ein "keine Hunde Schild" an der Tür prangte.

Leider kann ich ihn noch nicht als "Therapiehund" von der Steuer absetzen, auch wenn er sich therapeutisch von Kindern mit Epilepsie ausführen lässt und diese im Anfall vor den eigenen Eltern schützt.

Dr. Barbara Schuler
e.b.e. epilepsie bundes-elternverband e.V.