EEG-Feedback zur Therapie von Menschen mit Epilepsien

Immer häufiger fragen Patienten und deren Angehörige, die mit herkömmlichen Behandlungsmethoden nicht zufrieden sind, nach alternativen Methoden zur Therapie. Die Neuro- oder auch EEG- Feedback-Therapie (EEG - Elektroenzephalogramm) gehört zu diesen alternativen Behandlungsformen. Seit gut zwei Jahrzehnten werden solche Systeme in den USA kommerziell angeboten, die nun auch zunehmend den europäischen Markt erobern. Veröffentlichungen von Beiträgen zum Neurofeedback in neurologischen Fachzeitschriften wie in EPILEPSIA (Kotchoubey et. al. 2001) oder NATURE (Birbaumer et al., 1999) scheinen auch für eine zunehmende Bedeutung dieser Verfahren in der wissenschaftlichen Diskussion zu sprechen.

Grundlage ist hierbei die Rückmeldung der körpereigenen Signale so zu gestalten, dass die gewählten Feedbackparameter der Pathologie (z.B. Epilepsie) möglichst direkt entsprechen. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal hierbei ist, ob die Methodik in der Rückmeldung von Parametern bestimmter Frequenzbänder des EEG oder der langsamen Potentiale (englisch: slow cortical potential SCP) besteht. Auf den ersten Blick scheint die Wahl der Methode davon abzuhängen, auf welchem Kontinent man sich befindet: wird in den USA ausnahmslos ein Theta-/Alpha-/Beta-Feedback verwendet, bevorzugt man in Europa in der Forschung eher die langsamen Potentiale (Großbritannien und Deutschland). Die im Handel erhältlichen Systeme folgen weitgehend der nordamerikanischen Methodik. Feedback-Einheiten zur Steuerung langsamer Potentiale für den klinischen Einsatz sind erst seit kurzem auf den Markt erhältlich. Die Firma eldith GmbH konnte im November auf der Medica 2002 in Düsseldorf ein neues EEG- Feedback System vorstellen, was auf der Anwendung der langsamen Potentiale zur Therapie für Menschen mit Epilepsien beruht.

Rückmeldung und Veränderung der Aktivität einzelner EEG-Frequenzbänder

Howe und Sterman (1972) konnten in Studien mit Katzen zeigen, dass ein Training zur Verstärkung der Aktivität im sensomotorischen Rhythmus(SMR) zu einer Resistenz gegenüber sonst medikamentös ausgelösten epileptischen Anfällen führt. Unterstützt von Befunden aus Humanstudien, entwickelte Sterman (1996) das Modell, wonach die senormotorische Aktivität mit einem Anwachsen thalamokortikaler Hemmung verbunden ist und somit zu einer Anhebung der Anfallsschwelle führt. In seinem Überblicksartikel (2000) kommt er zu dem Schluss, dass die Wirksamkeit durch Studien an inzwischen 174 Patienten nachgewiesen ist. Bei einer kritischen Analyse der einzelnen Studien zeigt sich jedoch, dass nur wenige der herangezogenen Studien kontrolliert sind, An- gaben zum Anfallstyp und zum Follow-up häufig fehlen ("Epilepsie" ist ein Sammelbegriff für Anfallserkrankungen unterschiedlicher Art und Pathologie) und eine Studie (mit immerhin 69 gebesserten Patienten) einbezogen ist, in der unterschiedliche Vorgehensweisen verwendet wurden (Alpha-Feedback, Atemfeedback, Reduktion von Medikamenten). Seit 1993 ist, wenn man von einem Fallbericht absieht, keine Studie mehr zu diesem Bereich veröffentlicht worden.

Rückmeldung der langsamen kortikalen Potentiale (SCP)

Mit dem Training zur Selbstkontrolle der langsamen Potentiale sollen Patienten lernen, die Erregung und vor allem die Hemmung des neuronalen Geschehens selbst zu beeinflussen. Dabei spielt die Aktivität der einzelnen Rhythmen allenfalls eine untergeordnete Rolle. Sowohl im Tierexperiment als auch beim Menschen wurden vor Anfällen große Negativierungen nachgewiesen. Da nach dem Abklingen der Anfälle Positivierungen beobachtet werden, wurde von der Arbeitsgruppe um Birbaumer (Universität Tübingen) die Hypothese formuliert, dass epileptische Anfälle akut durch eine unzureichende Regulierung kortikaler Erregbarkeit entstehen. Ein Feedback-Training, in dem Patienten lernen können, Negativierungen und Positivierungen gezielt herzustellen, wurde von Rockstroh und Mitarbeitern 1993 entwickelt. In einer Replikationsstudie von Kotchoubey und Mitarbeitern (2001) an medikamentenresistenten Patienten mit fokalen Epilepsien wurde ein Trainingsprogramm evaluiert, das in seinen Bestandteilen in Tabelle 1 dargestellt ist.

Wie aus der Tabelle ersichtlich, wird das Training in zwei Intensivphasen durchgeführt. Die Patienten kommen täglich für ein bis zwei Sitzungen in das Labor.

Tab. 1: Inhalt und Verlauf des Selbstkontrolltainings bei Epilepsien (Strehl, 1998)
Phase   Therapiephase 1, 3 Wochen                                   

EEG-Feedback    à 1 bis 2 Stunden

Weitere Verhaltenstherapie      Verhaltensanalyse, (Vorhersage von Anfällen)
                                                   Beeinflussung von Antezedenzien
                                                   Anwendung der Biofeedback-Strategie
                                                   Kontingenzmanagement und Rückfallprävention

Phase   Ca. 2 Monate, Übungsphase im Alltag                                      

EEG-Feedback  

Weitere Verhaltenstherapie

 
Phase   Therapiephase 2, 2 Wochen                                   

EEG-Feedback   15 Sitzungen , à 1 bis 2 Stunden

Weitere Verhaltenstherapie     Wie Phase 1

 

Phase   Nachuntersuchung 1                               

EEG-Feedback    1 Sitzung

Weitere Verhaltenstherapie       Verhaltensanalyse

                                                    Auffrischung der Selbstkontrollkompetenzen

 

Phase   Bei Bedarf weitere Nachuntersuchungen                               

EEG-Feedback   

Weitere Verhaltenstherapie

         

Jede Sitzung dauert etwa eine Stunde und besteht aus 140 Durchgängen, in denen die Aufgabe jeweils darin besteht, eine kortikale Negativierung oder Positivierung herzustellen. Jeder Durchgang dauert 6 bis 8 Sekunden. Das EEG wird bei Cz abgeleitet, als Referenz dienen zwei Elektroden an den Mastoiden. Zur Kontrolle von Augenartefakten wird ein vertikales EOG geklebt. Die Aufgabe selbst ist durch einen Buchstaben bzw. in der neuesten Programmversion durch aufleuchtende Balken am oberen oder unteren Rand des Bildschirms gekennzeichnet (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Feedback langsamer kortikaler Potentiale: Monitor-Ansicht bei Negativierungsaufgabe

Abhängig von der Veränderung des EEG- Potentials gegenüber der zuvor ermittelten Base-line verändert sich die Position eines "Balls", und durch die Einblendung eines "Smileys" (Belohnung) kann eine zusätzliche Verstärkung erfolgen. In einem Teil der Durchgänge erhalten die Patienten keine Rückmeldung, der Ball ist nicht sichtbar. Diese "Transferbedingung" ist insofern wichtig, als das Ziel der Therapie darin besteht, dass die Patienten unmittelbar vor einem Anfall oder auch in Situationen, in denen sie in der Vergangenheit häufiger Anfälle bekamen, gezielt ("wie auf Knopfdruck") positiveren (= kortikale Erregung hemmen). In der zweiten Trainingsphase wird das Feedback-Training unter Ablenkungsbedingungen durchgeführt, auch dies ein Schritt hin zur Integration der kortikalen Selbstkontrolle in den Alltag.

Im Unterschied zu allen anderen beschriebenen Feedback-Programmen integriert dieses Training das EEG-Feedback explizit in einen verhaltenstherapeutischen Kontext. Nicht nur die Anwendung der kortikalen Selbstregulationsfertigkeiten bei den ersten Vorzeichen eines Anfalls, sondern auch die Analyse und Bewältigung von Situationen, in denen Anfälle aufzutreten pflegen sowie eine Veränderung von Konsequenzen, die das Auftreten von Anfällen verstärken können, sind Bestandteil der Therapie. Dieser Teil des Trainings wird in zusätzlichen therapeutischen Sitzungen durchgeführt, wobei auf Rollenspiele und In-vivo-Übungen besonderer Wert gelegt wird.

Die Evaluation der Studie der Tübinger Wissenschaftler in der Zeitschrift EPILEPSIA (Kotchoubey et. al. Mai 2001) sah einen Vergleich mit einer Gruppe von Patienten vor, die bei gleicher Therapiedauer ein Atemfeedback erhielt, und einer weiteren Gruppe, die medikamentös neu eingestellt wurde und psychosozial betreut wurde. Eine signifikante Reduktion der Anfallshäufigkeit zeigten nur die EEG-Feedback- und die Medikamentengruppe. Damit kann ausgeschlossen werden, dass die Verbesserung auf einen unspezifischen "Feedback" -Faktor zurückzuführen ist.

Für die Patienten und ihre Angehörigen bleibt abzuwarten, ob diese Form der Therapie in ihrem verhaltenstherapeutischen Ansatz von den Krankenkassen getragen wird.

Nähere Informationen durch Herrn Porschen vom Landesverband für Epilepsie Selbsthilfe in Nordrhein-Westfalen e.V. oder unter Öffnet einen externen Link in einem neuen Fensterwww.eldith.de