Reif für die "famosen" Inseln?

Das neu entwickelte Schulungsprogramm "FAMOSES" lädt Familien von Kindern mit Epilepsie ein

FAMOSES FlayerJetzt gibt es endlich die schon lange auch für Kinder mit Epilepsie und deren Eltern geforderte Patientenschulung. Ein neues Programm nimmt epilepsiekranke Kinder mit auf eine virtuelle Schiffsreise zu verschiedenen Inseln, um ihnen möglichst spannend und unterhaltsam Wissen über und zum Umgang mit ihrer Krankheit zu vermitteln. Parallel dazu wird auch für die Eltern ein Kurs mit entsprechenden Inhalten angeboten.

Weshalb heißen die Programme FAMOSES?

MOSES, das "Modulare (aus Themenbausteinen zusammengesetzte) Schulungsprogramm Epilepsie", ist bereits bekannt. Dieses Kursangebot für erwachsene Menschen mit Epilepsie ist schon seit Jahren ein erfolgreich. Daran orientiert entwickelte eine multiprofessionelle Arbeitsgruppe (Mediziner, Psychologen, Pädagogen, betroffene Eltern) ein "MOSES- Programm für Familien" mit dem Ziel, dem speziellen Bedarf gerecht zu werden, den Familien mit epilepsiekranken Kindern haben. Konkret heißt das: Wissensvermittlung über diese chronische Erkrankung bei Kindern, sowie die Auseinandersetzung mit Krankheitsverständnis und Krankheitsbewältigung. FAMOSES bedeutet also FAmilienMOSES. Das Programm soll den Familien helfen, günstige Voraussetzungen für die Entwicklung der betroffenen Kinder zu schaffen und Lebensqualität für die ganze Familie (zurück-) zu gewinnen.
Warum ist ein solches Schulungsprogramm für Familien wichtig?

Wenn ein Kind oder Jugendlicher an Epilepsie erkrankt, ist für die meisten Eltern das erste Ziel schnell klar: "Wir brauchen ein guten Arzt!" Die ganze Hoffnung wird darauf gesetzt, dass schnell das richtige Medikament gefunden wird. Die Medizin soll möglichst sofort Wirkung zeigen, keine Nebenwirkungen haben und die Krankheit heilen. Wenn die Familien dann die Erfahrung machen, dass sowohl die Suche nach dem "guten" Arzt als auch die nach dem richtigen Medikament nicht unbedingt sofort mit Erfolg gekrönt sein muss, entsteht der Wunsch, sich selbst besser zu informieren und damit Kontrolle über die Anfälle, die Erkrankung und die Behandlung zu bekommen. Die chronische Erkrankung, die sich auf viele Lebensbereiche auswirkt, kann für manche Familien zu einer dauerhaften Belastung werden. Der Wunsch nach Information und Unterstützung geht oft über das rein Medizinische hinaus, schnell sprengt dieser Anspruch den Rahmen einer "normalen" Arztsprechstunde. Eltern epilepsiekranker Kinder haben viele berechtigte Fragen. Eigentlich benötigen sie anstelle der üblichen "Sprechminuten" eine wirkliche "Sprechstunde", um alles zu klären; die Realität in Klinik und Praxis ist aber häufig ganz anders. Es ist also sinnvoll, dass Eltern lernen, die Sprechzeit gut zu nutzen, d. h. gezielt nachzufragen, wo noch etwas unverstanden ist oder Informationen fehlen. Dabei ist es natürlich hilfreich, wenn man durch die Schulung über die Krankheit schon gut Bescheid weiß und nun die ganz konkreten, individuellen Fragen stellen kann. Unterm Strich bedeutet das also, dass besser informierte Patientenfamilien mehr Sicherheit in ihren Entscheidungen haben und in der Behandlung besser mitarbeiten können.
Wenn die Familien keine Anlaufstelle für ihre vielen Fragen und Sorgen finden, kann sich ein Gefühl der Überforderung, Unzulänglichkeit und des Alleingelassensein einstellen. Es treten Zweifel an der eigenen Kraft, das Problem bewältigen zu können auf, familiäre Konflikte und sozialer Rückzug kommen manchmal dazu. Aus diesem Erleben wächst in den betroffenen Familien der Wunsch nach mehr Wissen und Verstehen, mehr Chancen zur Eigeninitiative und aktiver Mithilfe und nach Solidarität durch andere Betroffene. In einigen Familien besteht dieses Bedürfnis bereits zu Beginn der Erkrankung, bei anderen entsteht es erst im weiteren Verlauf. Einige Eltern finden gleich den Weg in eine Selbsthilfegruppe, andere sind noch zurückhaltend oder in ihrer Region gibt es diese Möglichkeit der Unterstützung bisher nicht.

Hier setzt das Schulungskonzept "FAMOSES" an. Es gibt ein Kinderprogramm für Kinder von 6 - 12 Jahren. Voraussetzung für die Kursteilnahme ausreichende Deutsch- , Lese- und Schreibkenntnisse.
Am Elternprogramm können auch Eltern teilnehmen, deren Kinder ein Schulung nicht oder noch nicht besuchen können. Im FAMOSES- Elternprogramm heißen die einzelnen Programmkapitel Module, im Kinderprogramm entspricht das den einzelnen Inseln, die auf einer virtuellen Schiffsreise aufgesucht werden.
Inhaltlich geht es um grundsätzliche Wissensfragen zur Krankheit:

  • Was ist Epilepsie?
  • Wie wird die Krankheit festgestellt und eingeordnet?
  • Wie sind die grundsätzlichen Behandlungsmöglichkeiten? und
  • Wie können Eltern und Kinder zu einer erfolgreichen Behandlung beitragen?


Ein weiterer großer Themenschwerpunkt ist der "Umgang" mit der Erkrankung - die Krankheitsbewältigung. In diesen Kapiteln werden z. B. Antworten auf folgende Fragen gegeben:

  • Welche Rollen spielen Lebensgewohnheiten, müssen sie vielleicht geändert werden? Welche Einschränkungen im Alltag sind nötig, sind manche vielleicht sogar überflüssig oder entwicklungsbehindernd?
  • Wie kann die Familie mit der krankheitsbedingten Dauerbelastung umgehen? Wie und wo kann man Kräfte sparen?
  • Mit wem und wie kann oder muss man über Epilepsie sprechen?


Ärzte versprechen sich von der Schulung, dass die dann gut informierten Patientenfamilien die eigenen Behandlungsziele formulieren, die medikamentöse Behandlung umfassender verstehen und an der Mitarbeit interessiert sind. Das ermöglicht den Eltern, auch noch bei einer Therapie kooperativ zu bleiben, wenn sie sich einmal schwierig gestaltet.
Wenn Sie als betroffene Eltern mit dem Ziel in eine Schulung gehen, danach die Behandlung Ihres Kindes selbst zu übernehmen, werden Sie enttäuscht sein. Wenn es für Sie aber wichtig ist, die vielen Möglichkeiten kennen zu lernen und zu nutzen, die nur von den Eltern als Beitrag in die Krankheitsbewältigung eingebracht werden können, dann sind Sie in einem FAMOSES- Kurs genau richtig.
Das Programmaufteilung in separate Schulungen für Kinder (6-12 Jahre), Jugendlichen und Eltern ist erforderlich, weil Kinder, Jugendliche und Eltern jeweils grundlegend verschiedene Herangehensweisen an das Thema haben. Bei den Eltern steht zunächst einmal der Erwerb von Wissen über die Erkrankung im Vordergrund. Bei der gemeinsamen Erarbeitung der "Wissensthemen" lernen sich die Teilnehmer kennen. Es entsteht Vertrauen innerhalb der Gruppe und die Möglichkeit, echte Solidarität zu erfahren. Das Gefühl, ganz verstanden zu werden, vermissen Eltern von epilepsiekranken Kindern in ihrer Alltagsumgebung oft sehr. In der Schulung kann es deshalb erlebt werden, weil die anderen Teilnehmer das eigene Problem kennen, verstehen und teilen. So können auch die Themen Offenheit und Raum finden, die über rein sachliches Wissen hinausgehen und das Familienleben mit Epilepsie beeinflussen. In dieser Atmosphäre sind oft sogar die Pausengespräche außerordentlich spannend.
Viele Eltern beschäftigt die Frage, wie sie mit ihren Kindern über Epilepsie sprechen können. Sie suchen nach kindgerechten Erklärungen. FAMOSES bietet für den Austausch zwischen Eltern und Kindern eine gemeinsame Sprache an. Im Elternkurs wird immer wieder darauf verwiesen, wie parallele Inhalte im Kinderkurs vermittelt werden. Deshalb enthält das Arbeitsmaterial für die Eltern auch viele Illustrationen, die für das Kinderprogramm entworfen wurden.

Wie läuft die Schulung für die Kinder ab?
Allgemein kann man sagen, dass bei den Kinder (6-12 Jahre) Lernen entsprechend ihrer Entwicklung zum großen Teil über "Mitmachen" und Erfassen von Bildern passiert. Deshalb wird bei der Kinderschulung größter Wert auf eine gelungenen grafische Darstellung gelegt. Der Begriff Schule ist für die meisten Kinder nicht unbedingt positiv besetzt, so dass hier bewusst auf diese Bezeichnung verzichtet wird. Die Schulung ist wie eine Inselkreuzfahrt gestaltet, die Kinder machen einen Kurs. So werden die zu vermittelnden Inhalte in eine Geschichte eingebunden, mit der sich die Kinder identifizieren können. Jede Insel ist ein Themenbaustein, dadurch wird das Lernen erleichtert, weil überschaubare abgeschlossene Themenbereiche (Module) angeboten werden

Was entdecken die Kinder auf ihrer Reise zu den FAMOSES- Inseln?
Sie treffen sich im Hafen und lernen sich kennen. Dann geht es los, denn "ein Schiff im Hafen ist sicher, aber dafür werden Schiffe nicht gebaut". Jede Reisestation hat ein anderes interessantes Abenteuer zu bieten: Auf der Felseninsel geht es um die Gemeinsamkeit, die die Kinder in den Kurs geführt hat - nämlich ihre Krankheit mit dem schwierigen Namen Epilepsie. Auf der Vulkaninsel lernen sie, dass Epilepsie eine Krankheit des Gehirns ist, welche Ursachen diese hat und was bei Anfällen passiert. Das Schatzinsel- Abenteuer ist wichtig, um zu erkennen, das man erst einmal suchen muss, bevor man die richtige Einordnung für die Epilepsie gefunden hat und wie diese "Epilepsie- Suche" (= die Diagnostik) abläuft. Die Kinder lernen, warum ein Anfallskalender wichtig ist und was sie selbst für die richtige Einschätzung (Diagnose) tun können. Es wird erklärt, wie spezielle Untersuchungen wie EEG und MRT ablaufen und wofür sie gebraucht werden. Außerdem wird endlich einmal klar gemacht, warum man das Blut untersuchen muss, obwohl die Krankheit doch im Kopf abläuft. Die Insel mit dem seltsamen Namen "Fungus Rock" muss man besuchen, wenn man wissen will, was bei Epilepsie hilft. Mit so viel neu erworbenem Wissen kann man auf die Ferieninsel weiterfahren und dort über die Epilepsie sprechen. Es wird geklärt, mit wem und warum man über die eigene Krankheit reden kann. Auf der letzten, der Leuchtturminsel, hat man schon einen ganz guten Überblick, merkt aber auch, dass es immer noch einiges zu entdecken gibt. Weil am Ende alle Matrosen in einem echten Quiz ihr Wissen unter Beweis gestellt haben, erhalten sie ein Kapitänspatent als "handfeste" Erinnerung an das Geschaffte für die Zeit nach dem Kurs.

Jugendliche lassen sich erfahrungsgemäß auf eine Schulung nur dann wirklich ein, wenn ihr entwicklungsbedingt sehr eigenes Verständnis von Gesundheit berücksichtigt wird. Für sie ist es wichtig, dass sie im Kurs persönlich auf ihr Thema angesprochen werden. Um den speziellen Zugang zu ermöglichen, den Jugendliche benötigen muss sich das Konzept für den Jugendlichen- Kurs von dem der Kinder- und Elternschulung ganz wesentlich in der Form, mit der die Inhalte vermittelt werden, unterscheiden, Das ist der Grund dafür, weshalb die Projektgruppe zunächst das Kinder und das Elternprogramm fertig gestellt hat.
Zurzeit laufen die ersten Kursprogramme für Kinder und Eltern in verschiedenen Epilepsiezentren und Betreuungsschwerpunkten. Nach diesem erfolgreichen Start kann im nächsten Jahr auch der 3. Programmteil entwickelt werden.
Die ersten Kurse werden mit einer Fragebogenaktion wissenschaftlich begleitet, um die Effekte der Schulungen auf die Krankheitsentwicklung zu untersuchen. Dadurch lassen sich hoffentlich die Krankenkassen überzeugen, dass Schulungsprogramme künftig zur Regelversorgung epilepsiekranker Menschen gehören sollten. Durch eine Kooperationsvereinbarung mit dem Bundesverband der Betriebskrankenkassen wird dieses langfristige Ziel der Krankenkassenleistung konkret anvisiert. Bis zum Erreichen dieser Ziellinie müssen aber die Kosten der Schulung noch von den Betroffenen selbst getragen werden.

Für die bisherige Finanzierung der Programmentwicklung sorgte der Förderverein FAMOSES e. V., der eine inhaltlich unabhängige Gestaltung ermöglicht. Wie viel genau von den Teilnehmern künftig für den Kurs und das Erarbeitungsmaterial bezahlt werden muss, wird auch davon abhängen, in welchem Ausmaß weiterhin Sponsoren gefunden werden, die die Weiterentwicklung und Verbreitung der Programme unterstützen. In diesem Zusammenhang sei natürlich den bisherigen Sponsoren (GlaxoSmithKline, Novartis, Pfizer, sanofi-synthelabo) herzlich gedankt.

Wenn Sie jetzt neugierig geworden sind, fragen Sie Ihren betreuenden Arzt, ob in Ihrer Nähe künftig FAMOSES- Schulungen angeboten werden. Die Trainerausbildung für alle interessierten Einrichtungen werden Anfang 2004 beginnen. Ihre Nachfrage wird dafür sorgen, dass auch für Ihre Region Trainer ausgebildet und Schulungen organisiert werden.

Hoffentlich werden dann bald viele Patientenfamilien von diesem "famosen" Kursangebot Gebrauch machen und profitieren können, so dass möglichst wenige ,,reif für die Insel" im ursprünglichen Wortsinn werden.

Für die FAMOSES- Projektgruppe
Dr. Susanne Rinnert und Rita Winter
Kiel-Raisdorf/ Fürth im September 2003

FAMOSES
- Projektgruppe:
Dr. med. U. Bettendorf
Dipl. Psych. H. Fischbach
Dipl. Psych. G. Heinen (federführender Autor)
Dipl. Psych. K.Jacob
Dipl. Soz. Päd. P. Klein
Dr. med. G. Kluger
Dagmar Rahn
Dr. med. Susanne Rinnert (Projektleitung)
Dipl. Soz. Päd. Rita Winter
Dr. med. Gabriele Wohlrab

FAMOSES - Graphik und Illustration: Thomas Meilhammer

FAMOSES zu erreichen über MOSES- Geschäftsstelle:
Frau Bettina Hahn
Rußheider Weg 3
33604 Bielefeld
e-mail: Öffnet ein Fenster zum Versenden einer E-MailMOSES.EUREPA(at)t-online.de

zu unterstützen über Förderverein FAMOSES e. V.
Konto- Nr. 2351717
BLZ 75091400
Raiffeisenbank Burglengenfeld