Festhalten und Loslassen

(k)ein Thema für Eltern
mit behinderten und chronisch kranken Kindern
Seminar des epilepsie bundes-elternverband e.V.


Am 17. September 2005 trafen sich in Wuppertal 23 Mütter, Väter und Großmütter um sich diesem wichtigen Thema zu stellen. Margret Meyer-Brauns als betroffene Mutter sprach über ihre persönlichen Erfahrungen mit ihrem Sohn Sebastian. Die Offenheit und Intensität ihrer Darstellung berührte manchen Zuhörer tief. Sie zeigte, dass der Ablauf der Ablösung sowohl für Eltern als auch für Kinder ein mitunter schmerzhafter aber unbedingt erforderlicher Prozess ist. Ihre Kompetenz und ihr Fachwissen, die sie auch in der Beratung von Eltern bei der Lebenshilfe München erworben hat, kam an diesem Tag den Eltern zugute.

Als Fachleute standen der Gruppe die Psychologen Helga Rühling und Friedrich Kassebrock von der Beratungsstelle Bethel zur Verfügung. Herr Kassebrock berichtete über einen anderen Jugendlichen, dessen Ablösungskrisen er als Psychologe begleitet hat. Dabei wurde deutlich, dass dieses "Erwachsenwerden" möglichst frühzeitig geplant und trainiert werden muss. Dass aber auch Fachleute nicht immer genau wissen, wann welcher Schritt für welches Kind geeignet ist. Sie können aber die Familien auf diesem Weg mit viel Empathie begleiten und ihr fachliches Wissen zur Verfügung stellen.

Frau Rühling ging eingehend auf die Konflikte zwischen Eltern und Fachleuten in diesem Zusammenhang ein. Um ihrem Kind den nötigen Platz in einer Wohneinrichtung zu beschaffen, müssen sich Eltern als "Versager" darstellen, sonst wird der Platz nicht bewilligt. Es fällt dann manchmal schwer, sich auch wieder als die kompetente Eltern zu fühlen, und von den Mitarbeitern auch in ihrer Kompetenz gesehen zu werden. Dieser Punkt wurde auch im anschließenden Gespräch ausführlich diskutiert. Frau Rühling wies noch auf andere kaum vermeidbare Konflikte hin, z.B. solche, die aus dem häufigen Generationsunterschied zwischen Eltern und Erziehern entstehen, da diese sich oft den Jugendlichen näher fühlen als den Eltern. Die Abstimmung zwischen Fachpersonal und Eltern ist da unerläßlich. Beide Parteien sollten sich als Partner sehen, die das Beste für den betreuten Jugendlichen/Erwachsenen wünschen. Auch wenn die Ansichten, was das Beste ist, hin und wieder nicht übereinstimmen. Für die Jugendlichen ist es aber durchaus hilfreich und entwicklungsfördernd, wenn sie lernen mit unterschiedlichen, von Betreuer zu Betreuer wechselnden Anforderungen zurecht zu kommen.

In der nachfolgenden Diskussion wurden neben dem "Versager-Thema" der Eltern sowie den oft aufgezwungenen Schuldgefühle der Eltern auch rechtliche Dinge wie die Betreuung geistig behinderter Jugendlicher angesprochen. Fragen wie die sexuellen Bedürfnisse der Heranwachsenden, der passende Wohnheim-Platz und vieles mehr wurde noch eingehend diskutiert. Klar war allen Beteiligten, dass Eltern auch Kinder mit komplizierten Epilepsien oder Behinderungen schrittweise in ihre persönliche Form der Unabhängigkeit entlassen müssen. Man kann mit einem Wochenende in einer Betreuungseinrichtung beginnen und über mehrwöchige Aufenthalte oder Internatsaufenthalte den Einzug in ein eigenes Domizil, sei es Wohnheim oder betreutes Wohnen, nach und nach vorbereiten. So können sich Eltern und Kinder langsam daran gewöhnen, dass jeder sein eigenes Leben lebt. Frau Meyer-Brauns betonte zum Abschluss noch ausdrücklich, dass sie und ihr Sohn sich einander jetzt, nach dem Einzug Sebastians ins Wohnheim, sehr viel näher fühlten, als zu belasteten Zeiten im Ablösungsprozess. Mit viel Dankbarkeit beobachtet sie die Entwicklung ihres Sohnes, der seinen Weg mit viel Lebensfreude beschreitet, im Rahmen seiner Möglichkeiten sich eigene Perspektiven schafft und sehr glücklich dabei ist.

Foto: BiBu-FrontCVJM-Bildungsstätte, Wuppertal

Insgesamt war es ein sehr gelungenes Seminar nicht zuletzt dank der Offenheit und der Kompetenz der Referenten und Zuhörer. Dass das Thema den Eltern sehr am Herzen lag, zeigte auch die weite Anreise (Freiburg), die manche Eltern für diesen Tag auf sich nahmen.

Susanne Fey, Wuppertal