Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Die Gleichbehandlung aller Menschen in der Bundesrepublik Deutschland ist schon im Grundgesetz verankert:

Grundgesetz Artikel 3

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Dass die praktische Umsetzung dieses elementaren Grundrechts nicht immer so reibungslos funktioniert, wie es den Vätern des Grundgesetzes vorschwebte und wie es wünschenswert wäre, das steht außer Frage. Daher ist  im Jahr 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, kurz AGG genannt, vom Bundestag verabschiedet worden.

Das AGG, auch Antidiskrimierungsgesetz genannt, gibt detaillierte Informationen, welche Rechte Menschen zustehen und wie sie sich gegen eventuelle Benachteiligungen wehren können. Für Menschen mit Epilepsie ist das Gesetz in drei Bereichen wichtig:
1. Bei der Bewerbung um ein Arbeitsverhältnis
2. Beim Abschluss einer Versicherung
3. Bei bestimmten Freizeit-/Sportangeboten

Punkt 1

Bewerbung um ein Arbeitsverhältnis


Bewirbt sich ein Mensch mit Epilepsie auf eine Arbeitsstelle, steht er oft vor der Frage, ob er dem zukünftigen Arbeitgeber seine Erkrankung und das mögliche Vorliegen eines Schwerbehindertenstatus mitteilen soll. Die Befürchtungen, dadurch bei der Bewerbung benachteiligt zu werden, sind groß und erfahrungsgemäß nicht immer unbegründet. Grundsätzlich muss der Bewerber den Arbeitgeber informieren, wenn die Krankheit/Behinderung ihm die Ausübung der geforderten Tätigkeit unmöglich macht z. B. ein Maurer, bei dem das Auftreten großer Anfälle noch wahrscheinlich ist. Daran hat auch das AGG nichts geändert. Ist die Erkrankung/Behinderung für die angestrebte Beschäftigung allerdings nicht relevant, so braucht der Arbeitnehmer auch nicht darauf hinzuweisen. Nach dem AGG ist sogar die Frage des Arbeitgebers nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderung bzw. einer Gleichstellung grundsätzlich unzulässig und muss nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden. Allerdings können dann auch nicht die Vorteile des Schwerbehindertenstatus wie z.B. fünf Tage zusätzlicher Urlaub in Anspruch genommen werden.
Der besondere Kündigungsschutz wird dennoch wirksam, wenn der Arbeitnehmer seinen Schwerbehindertenstatus innerhalb von drei Wochen nach Zustellung der Kündigung beim Arbeitgeber nachträglich geltend machen.

Punkt 2

Abschluss einer Versicherung

Beim Abschluss von Versicherungen - wie z. B. private Krankenversicherung bei Tätigkeit im öffentlichen Dienst oder Risikolebensversicherung zur Absicherung eines Bankkredits für den Hausbau - ist es sinnvoll, das Versicherungsunternehmen über die Epilepsie zu informieren. Häufig wurde der Versicherungsnehmer dann überhaupt nicht versichert oder der Versicherungsbeitrag war sehr viel höher als bei einem Menschen ohne Epilepsie.
Für Versicherungen, die nach dem 22.12.2007 abgeschlossen wurden, gilt nach AGG § 20 Absatz 2, dass eine Ungleichbehandlung nur dann zulässig ist, „…..wenn diese auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruht, insbesondere auf einer versicherungsmathematisch ermittelten Risikobewertung unter Heranziehung statistischer Erhebungen“. Das Versicherungsunternehmen muss also mithilfe öffentlich zugänglicher Statistiken nachweisen, dass das Risiko bei der Versicherung eines Menschen mit Epilepsie höher liegt als bei Menschen ohne Epilepsie.

Punkt 3

Freizeit- und Sportangebote

Bei der Teilnahme an Sport- und Freizeitangeboten stellt sich für viele Menschen mit Epilepsie die Frage „Geht das mit den Anfällen überhaupt?“ und „Muss ich jemanden über die Anfälle informieren?“ Aus Angst vom Angebot ausgeschlossen zu werden, sollte jedoch niemand die Epilepsie verschweigen, da er unter Umständen bei einem Schadensfall dann ein Mitverschulden trägt. Insbesondere dann, wenn ein Anfall vorhersehbar war. Sinnvoller ist die Beurteilung durch einen objektiven Beobachter, ob jemand eine Sportart ausüben kann oder nicht, und eine entsprechende Unbedenklichkeitsbescheinigung. Werden dann noch Übungsleiter und „Mitsportler“ über die Art der Anfälle und Erste Hilfe aufgeklärt, dann sollte der Teilnahme an solchen Angeboten nichts mehr im Wege stehen, denn auch gesunde Menschen haben ein gewisses Lebensrisiko, wenn sie Sport treiben, man schaue sich nur die Verletzungsgefahr beim Fußball oder Skilaufen an. Und letztendlich ist ein Anfall auf dem Fußballplatz weitaus weniger verletzungsträchtig als z.B. ein Anfall im Bad.
Das AGG legt auch fest, dass bei sogenannten „Massengeschäften des täglichen Lebens niemand benachteiligt werden darf. Beim Besuch des Schwimmbads z.B. muss keine Begleitperson mitgehen und der Zugang zum Schwimmbad darf nicht verwehrt werden. Eine Ausnahme ist nur im Einzelfall möglich, wenn es sich aufgrund konkreter Vorfälle herausgestellt hat, dass die Person nicht fähig ist, am Badebetrieb teilzunehmen. Ein grundsätzlicher Ausschluss eines voll geschäftsfähigen Menschen mit Epilepsie vom Badebetrieb ist nach dem AGG nicht möglich.
Allerdings ist der Badbetreiber auch nicht verpflichtet eine lückenlose Überwachung aller Schwimmbecken sicherzustellen – dies bedeutet, dass ein anfallskranker Schwimmbadnutzer für Schäden, die er im Schwimmbad aufgrund seiner Anfälle erleidet oder anderen zufügt, wenn das Auftreten eines Anfalls voraussehbar war, selbst haftet.

Wer Fragen zum AGG und seiner Auslegung hat, kann sich an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden: Auf der Internetseite Öffnet externen Link in neuem Fensterwww.antidiskriminierungsstelle.de gibt es neben vielen Informationen unter Tipps für Betroffene auch ein Kontaktformular zur Beratung bei Diskriminierung.

Zusammenfassung eines Artikels von R. Thorbecke
Leitet Herunterladen der Datei einOriginalartikel als pdf
Öffnet externen Link in neuem FensterZeitschrift für Epileptologie 2009 · 22:265–267
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Springer-Verlag GmbH.
Copyright Originalartikel: Springer-Verlag GmbH

Susanne Fey
Wuppertal


Eine Bitte aus der Redaktion:
Wir sind sehr an Euren Erfahrungen in Bezug auf das AGG interessiert, besonders auch an positiven Erlebnissen, die anderen Betroffenen Mut machen können, ihr Recht durchzusetzen. Schreibt oder mailt uns Eure Geschichte.