Mein Leben mit Epilepsie – ein Erfahrungsbericht
In diesem Artikel möchte ich auszugsweise aus meinem Leben mit Epilepsie berichten. Von „meiner“ Grand-Mal-Epilepsie möchte ich schreiben und meine Erlebnissen damit schildern.
Seit Jahren lebe ich jetzt anfallsfrei, aber Jahrzehnte lang hatte ich alle 4 Wochen Grand-Mal-Anfälle! Bewusstlosigkeit und schwere Stürze waren damit verbunden. Entscheidend für mich war damals meine epilepsie-chirurgische Operation an der Uni-Klinik in Erlangen im Jahr 2001.
Zu Beginn dieses Artikels, um diesen Text besser zu verstehen, einige Daten und Fakten zu meiner Person:
Als ich 1965 in Hannover geboren wurde, war meine Welt noch „in Ordnung“. Bei meiner Geburt war meine Mutter 42 Jahre alt, vielleicht kam ich auch deshalb mit einem Kaiserschnitt zur Welt. Eine Rolle spielte dann, dass ich als Kleinkind vom „Wickeltisch“ stürzte und stundenlang bewusstlos war. In der Kinderklinik Hannover - damals noch Kinderheilanstalt - wurde aber nichts diagnostiziert.
Ich wuchs glücklich auf, verlebte wunderschöne Jahre mit anderen Kindern und mit meinen Eltern. In meinem sechsten Lebensjahr, noch vor meiner Einschulung, dann die erste Warnung: ein erster epileptischer Anfall. Wieder ein stationärer Aufenthalt in der Kinderklinik Hannover und wieder keine Diagnose.
Meine Zeit in der Grundschule verlief problemlos, im Anschluss besuchte ich die Hauptschule, wechselte danach an die Realschule, spielte viel mit anderen Kindern, spielte Fußball mit Freunden - verlebte eine sorgenfreie Kindheit.
In meinem 16. Lebensjahr dann allerdings ein schwererer epileptischer Grand-Mal. Ab diesem Zeitpunkt begann meine Odyssee von einem Neurologen zum nächsten. Zum Glück begleitete mich meist meine Mutter zu diesen Fachärzten. Das bedeutete immer stundenlanges im Wartezimmer Sitzen und endlos langes Warten: Warten auf ein kurzes Gespräch mit dem Neurologen, auf eine EEG-Untersuchung und meist neue Tabletten. Denn die bisherigen Tabletten nützten nichts, ich hatte weiterhin meine Anfälle!
Vielleicht kennt der eine oder andere Betroffene selber diese Situation, das Warten in den überfüllten Wartezimmern der Ärzte, das Fragen und Antworten zur Anfallssituation – meist mit den folgenden Fragen des Facharztes: „Haben Sie wirklich ihre Medikamente regelmäßig genommen und alle meine Anweisungen befolgt?“
Dazu die Einschränkungen in der Jugend: Meine Freunde tranken Bier, blieben abends lange auf, fuhren mit dem Mofa oder Moped, gingen Schwimmen usw. - für mich alles verboten! „Denken Sie an meine Anweisungen“, sagte mir der Neurologe. Diese Einschränkungen taten mir damals sehr weh – erst heute kann ich darüber schmunzeln!
Während der Realschule kam ich im Unterricht einigermaßen mit, vor allem die Sprachen machten mir schon damals viel Spaß. Heute bin ich sehr froh, neben Englisch, während der Realschule den Französisch-Unterricht besucht zu haben. In der 10. Klasse erreichte ich den erweiterten Realschulabschluss und überlegte kurz, ob ich noch das Abi machen sollte. Von meinen Eltern kam dazu allerdings wenig Unterstützung – dafür sagte mir mein Vater: „Lerne lieber was Ordentliches mein Junge, mache eine Lehre und werde was Solides“!
Gesagt getan: Ich absolvierte eine Lehre als Werkzeugmacher und arbeitete jahrelang trotz meiner „aktiven“ Epilepsie. Während meiner Lehre spürte ich, dass ich „irgendwie anders war“. Andere Gleichaltrige fuhren mit dem Auto, tranken teilweise viel Alkohol, sogar viel zu viel – zum Glück gab es damals noch kein „ Trinken bis zum Umfallen“.
Schon damals verliebte ich mich in den Sport. So trainierte ich sehr intensiv den asiatischen Kampfsport „Taekwon-Do“. Dadurch wurde ich selbstbewusst, lernte ein hervorragendes Körpergefühl und wurde sehr beweglich. Allerdings ist Taekwon-Do ein so genannter „Vollkontakt-Kampfsport“. Und beim Training, während des Kampfes mit „Voll-Kontakt“, fragten sich meine Freunde, Wettkampfgegner und Trainingspartner: „Was ist jetzt wieder mit Karl-Heinz los? Schon wieder kippt er um!“ Denn auch während des Kampftrainings und auch während der Kämpfe mit meinen Trainingspartnern (Gegnern) passierten meine epileptischen Anfälle. Das Schönste aber bei diesem Sport war, dass ich mich sehr gut in den Sportverein integrierte, dann auch dessen Vorsitzender wurde. Wenn wir zusammen an Wettkämpfen teilnahmen, ganz verteilt in Niedersachsen, fuhren wir als Mannschaft im Auto. Ein Auto hatte ich natürlich nicht, ich durfte ja schließlich nicht selbst Auto fahren, aber jedes Mal wurde ich von meinen Freunden mitgenommen und unsere Gemeinschaft während der Autofahrt war super. Viele Jahre lang war ich auch einer der Trainer in diesem Sportverein.
Nach langen Jahren der Arbeit im Maschinenbau studierte ich an der FH-Hannover den damals noch neuen Studiengang „Technische Dokumentation“. In meiner Geburtsstadt wurde ich dann leider arbeitslos und beschloss, meine Eltern, die Geburtsstadt und meine Freunde zu verlassen und dorthin zu wechseln, wo sich Arbeit fand. So zog ich mit Sack und Pack nach Coburg in Oberfranken.
Der dortige Neurologe behandelte mich zunächst weiter mit Tabletten, schickte mich dann aber zur Universitätsklinik Erlangen. Dort wurde ich stationär aufgenommen und ausgiebig untersucht. Das Ergebnis war damals für mich schwer verständlich: am rechten Temporallappen (Schläfenlappen) fand man einen Anfalls-Herd und damit war der Weg zur Operation möglich.
Bei Tests und Untersuchungen checkte man ab, wo u.a. mein Sprachzentrum in Gehirn saß – Ergebnis: Ich konnte operiert werden! Nun wurde ich über die beträchtlichen Risiken der OP aufgeklärt. Der OP stimmte ich gerne zu – ein Ausweg aus meiner „Epilepsie-Karriere“ schien greifbar nahe!
Die Operation war aufwendig und wirklich risikoreich – aber sehr erfolgreich! Trotz einiger Rückschläge bin ich heute anfallsfrei! Vor allem einem Arzt bin ich besonders dankbar, einem Facharzt für Neurologie, der mich in all den Jahren nach der OP bestens begleitete: Herrn Dr. Kerling, dem damaligen Stationsarzt, als ich stationär zur Untersuchung aufgenommen wurde.
Dem Sport bin ich treu geblieben. Vom Taekwon-Do wechselte ich zum Fechten, danach zum Ausdauersport. Heute trainiere ich weiterhin viel – sehr viel sogar. Für den Triathlon trainiere ich täglich Schwimmen, Radfahren, Laufen.
Während meiner Zeit mit regelmäßigen Anfällen war mir das Schwimmen natürlich verboten, wodurch ich in den anfallsfreien Jahren anfangs Probleme damit hatte. Aber mit festem Willen und dank meines Glaubens überwand ich auch diese Schwierigkeiten.
Karl-Heinz Berner, 44 Jahre