Eine besondere Beziehung - Behinderten-Begleithund bei Epilepsie

Nachbericht von der Tagung für tiergestützte Therapie vom 02./03.07.2010 in Augsburg, Bunter Kreis

Das ist Ben. Ben ist ein Golden Retriever Rüde und ausgebildeter Behinderten-Begleithund.
Als Welpe kam er durch die Hundeschule vom Tomberg zu seinem Frauchen Lisa H. um mit der Ausbildung als Epilepsie-Hund zu beginnen.


Frau H. ist ca. 40 Jahre alt, verheiratet und hat seit ihrem 5.Lebensjahr eine schwer einstellbare Epilepsie mit verschiedenen Anfallsformen, meist mit Bewusstseinsverlust. Ihr selbstbestimmtes Leben war dadurch stark beeinträchtigt und die Angst vor Anfällen in der Öffentlichkeit führten zu starker Rückzugstendenz – eine Reaktion, die bei Epilepsie betroffenen Menschen oft zu beobachten ist.

Jetzt nach 2 Jahren intensiver Arbeit mit Hundetrainerin Manuela van Schewick fühlt Frau H. sich durch ihren ständigen Begleiter Ben so sicher, dass sie aktiv am Leben teilnimmt. Durch die enge Bindung spürt Ben Vorzeichen von Anfällen und gibt Hinweise, wodurch Sicherungsmaßnahmen möglich werden, um Stürze und Verletzungen vermeiden zu können.

Bei einem Workshop der Epilepsie Beratung Augsburg/Nordschwaben im Rahmen der Tagung für tiergestützte Therapie beim Bunten Kreis konnten Betroffene, Angehörige und Interessierte Wissenswertes zu diesem Thema erfahren.

Die biologischen Grundlagen über die Vorahnung des Hundes sind noch nicht erforscht. Es könnten biochemische Veränderungen, Geruch, Muskeltonus sein, genau weiß man es nicht. Doch die Erfahrungsberichte von Familien mit Hund und epilepsieerkranktem Familienmitglied, als auch die Berichte von qualifizierten Hundetrainern sind so bedeutend, dass weiter darauf aufgebaut und geforscht wird.

Frau van Schewick engagiert sich seit 2 Jahren mit großer Leidenschaft in der Ausbildung von Epilepsie-Hunden und betreut die Hundebesitzer mit Herz, Verstand und sehr viel Zeit.

Bestimmte Rassen sind sehr ausgeprägt in ihrem Bedürfnis, in einem Familienverband als soziales Wesen zu leben. Sie brauchen wie wir Menschen Kontakt, Fürsorge, Kommunikation, Wertschätzung und Zugehörigkeit und sind in selbem Maße bereit, dies zu geben.

Nach der 1. Entwicklungsphase folgt der Wechsel im Alter von 8-12 Wochen zum Besitzer zum Aufbau einer sehr engen Beziehung zum erkrankten Menschen und idealer weise zu anderen Familienmitgliedern. Oft zeigt sich schon in dieser Phase, dass der Hund auf Anfälle reagiert. Und durch positive Verstärkung wird diese Fähigkeit weiter geschult. Der Hund wird ein großes Verantwortungsgefühl für die erkrankte Person übernehmen. Die anderen Familienmitglieder sollen und müssen ihn darin unterstützen. Denn ein permanentes „im Dienst sein“ ist für jedes Wesen ein Dauerstress, der zur Erschöpfung oder Krankheit führt. Wichtig ist hier, dem Hund ausreichend „dienstfreie Zeiten“ zu gönnen!

 

Ben und Notfallknopf

Manuela van Schewick legt großen Wert auf individuelles Herangehen an die Situation. Dies fängt bei der Entscheidungsfindung an, ob Bereitschaft und Bedingungen zum Zusammenleben und -arbeiten gegeben sind und geht bis hin zur Abklärung von Erwartungen und auch das Verarbeiten von Frustrationen, falls sich die Erwartungen nicht erfüllen. Denn nicht jede Beziehung gelingt so, dass der Hund vor Anfällen warnen kann. Dann können dennoch wertvolle Verhaltensweisen trainiert werden.

Die Ausbildungsziele sind dabei sehr unterschiedlich. Ben ist so sensibel, dass er vor Anfällen warnt, er beschützt Lisa H. im Anfall, er kontrolliert sie bei Handlungsfortsetzungen während ihrer Bewusstseinsstörung, er informiert den Ehemann und kann inzwischen einen Notrufknopf betätigen, der demnächst mit der Einsatzzentrale eines Pflegedienstes ans Netz geht.
Bild Notrufknopf

Frau van Schewick berichtet auch von ihrer Arbeit mit dem 3½ jährigen Tom der an einer schweren Epilepsie, dem Dravet-Syndrom, leidet. Hier konnte Vita, ein Labrador, als erwachsener Hund vermittelt werden. Die Nachtwachen der Eltern konnten eingestellt werden. Vita schläft neben Tom und alarmiert zuverlässig die Eltern bei Anfallsanzeichen oder Fieberanstieg.

Und bei allem, was die spezielle Ausbildung ermöglicht, hat das „normale“ Leben mit Hund oft einen großen Gewinn für den Menschen. Die Aufgabe und Übernahme von Verantwortung, die Tagesstruktur, Bewegung im Freien, Emotionalität und Zuwendung wirken sehr ausgleichend auf das psychische Befinden.

Schwierig wird es beim Thema der Finanzierung. Die Ausbildung und Begleitung durch eine qualifizierte Hundeschule ist sehr zeitintensiv. Als Kosten werden ca. € 7.500 bis 20.000 genannt.

Leider ist ein Behindertenbegleithund bei Epilepsie – anders als beim Blindenhund – kein anerkanntes Hilfsmittel. Jeder Interessierte sollte dennoch die Mühe nicht scheuen, mit guter Argumentation bei seiner Krankenkasse oder dem zuständigen Sozialhilfeträger im Sinne von Hilfsmittel oder Eingliederungshilfe die Kosten zu beantragen. Sicher wird man damit keine Kostenlawine lostreten, da im Einzelfall genau geprüft wird – nach den Bedürfnissen und Möglichkeiten von Mensch und Hund – ob der Einsatz möglich, gut und Erfolg versprechend ist.  Doch am Beispiel von Lisa H. und Tom zeigt sich, die Lebensqualität bei Epilepsie kann mit Begleitung eines Epilepsie-Hundes entscheidend verbessert werden.

Claudia Hackel, Dipl.Soz.päd.,
Epilepsie Beratung Augsburg/Nordschwaben
 www.bunter-kreis.de und www.hundeschule-meckenheim.de

Weitere Infos und Kontakt:

Epilepsie Beratung Schwaben-Nord (EBS)
Bunter Kreis - Nachsorge gGmbH
Claudia Hackel
Stenglinstr. 2
86156 Augsburg
Tel.: 0821 - 400 49 45
Fax: 0821 - 400 48 49
E-Mail: claudia.hackel(at)bunter-kreis.de
Internet: www.bunter-kreis.de

Spezielle Infos zur Hundeschule von Frau van Schewick: www.hundeschule-meckenheim.de


Bilder – Quellen: Epilepsie Beratung Augsburg