Transition: Erwachsen werden mit Epilepsie

Unter Transition im engeren Sinne versteht man den absichtsvollen, geplanten Übergang von Jugendlichen mit einem chronischen Gesundheitsproblem von einer kindzentrierten zu einer erwachsenenzentrierten Gesundheitsbetreuung.

Der Wechsel vom Jugendlichen- in das Erwachsenenalter stellt schon bei gesunden Jugendlichen und ihre Familien manchmal eine für alle belastende Übergangsphase dar. Bei chronisch kranken Jugendlichen kommt dann noch ein Wechsel von der vertrauten Kinder- und Jugendmedizin in den Bereich der Erwachsenenversorgung hinzu. Spätestens mit 18 Jahren, von wenigen Ausnahmen abgesehen, müssen Jugendliche und junge Erwachsene in der Erwachsenenmedizin angekommen sein. Eine besondere Herausforderung bei der Transition ist die Betreuung von mehrfach- und insbesondere geistig-behinderten Kindern. Bei chronisch-kranken Adoleszenten (Jugendlichen) ist immer die Familie im Ganzen betroffen - niemand ist alleine krank!

Während die Kinder- und Jugendmedizin durch ihren familienorientierten Ansatz und spezielle Einrichtungen wie sozialpädiatrische Zentren dafür Konzepte bereithält, fehlen in der Erwachsenenmedizin vergleichbare Strukturen. Beim Übergang von chronisch-kranken Jugendlichen in die Erwachsenenmedizin besteht eine Versorgungslücke.

Dieser Mangel im Gesundheitssystem wurde mit der steigenden Lebenserwartung chronisch-kranker Kinder immer deutlicher: zum Beispiel lag bei Mukoviszidose die durchschnittliche Lebenserwartung 1995 bei 13,9 Jahren, 2012 bei 37 Jahren, d. h. die Hälfte der Patienten sind heute über 18 Jahre alt. Das Interesse an einer Verbesserung dieser Versorgungslücke macht sich etwa seit 1990 in vermehrter Forschung, unterschiedlichen Modellversuchen und der Bildung von „Task forces“ bemerkbar. Auch der epiKurier hat mehrfach über die Transitionsbemühungen im deutschsprachigen Raum berichtet. (in Ausgabe 2/2009 über das Berliner Transitionsprogramm und in 2/2012 unter der Überschrift „Ist Transition schwierig?“ über das Jenaer Transitionsmodell, zuletzt in 3/2012 über ein Transitionsprojekt der Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit der Kinderklinik Lübeck). Hier zeigte sich in Interviews mit betroffenen Jugendlichen (u. a. auch solchen mit Epilepsie), dass die Jugendlichen sich gedanklich nur wenig mit ihrem Transfer auseinandergesetzt haben bzw. diesen Schritt sogar bewusst hinauszögerten. Die Interviews machten die Bedürfnisse der Patienten für diese Übergangsphase sichtbar. Anhand dieser Bedürfnisse wurde ein Schulungsprogramm für die Krankheiten Diabetes, Mukoviszidose und chronisch entzündliche Darmerkrankungen entwickelt und durchgeführt, das die Transitionskompetenz der Jugendlichen stärken, zu einem verbesserten Selbstmanagement und zu angemessener Autonomie der Jugendlichen führen soll.

Aufbauend auf den Erfahrungen eines krankheitsübergreifenden Schulungsprojektes (ModuS1, „Fit für ein besonderes Leben“) und den Erfahrungen aus dem Lübeck-Greifswald Projekt, fördert das Bundesministerium für Gesundheit nun ein weiteres Transitionsprojekt: „Erwachsen werden mit ModuS“ (ModuS 2), das prinzipiell allen chronisch-kranken Patienten in dieser Lebensphase zugute kommen kann. Es ergänzt die Schulung chronisch-kranker Jugendlicher um ein Schulungsmodul für deren Eltern.

In Familien mit chronisch-kranken oder lebensbedrohlich erkrankten Kindern wird sich in der Regel ein Elternteil besonders, manchmal aber auch beide, intensiv um die Einhaltung der medizinisch notwendigen Therapie- oder Präventionsmaßnahmen kümmern. Dies ist in den ersten Lebensjahren unerlässlich, später wird die Verantwortung mehr und mehr auf den heranwachsenden Patienten übertragen werden. Auch ohne ein Maß von „Überfürsorglichkeit“ bedeutet das in der Regel eine stärkere Bindung und Abhängigkeit sowohl von Eltern zu Kind als auch von Kind zu Eltern(teil).

Die Mühen und Kämpfe, die sich im Laufe der Jahre in solchen Familien abspielen, werden durch einen relativ günstigen Krankheitsverlauf gerechtfertigt und „belohnt“. In der Phase der Transition wird der erreichte relative Gesundheitszustand nicht nur gefährdet, in der Regel wird man davon ausgehen müssen, dass bei Übernahme des Krankheitsmanagements durch den Jugendlichen das Erreichte nicht nur in Frage gestellt, sondern zum Teil auch teilweise rückgängig gemacht wird, z. B. durch „Austesten“ der Grenzen durch den Jugendlichen als entwicklungspsychologische Wachstumsaufgabe. Dies bedeutet, dass die Eltern „tatenlos“ zusehen müssen oder sollen, wie es ihrem Kind körperlich schlechter geht, wobei der Jugendliche diese Verschlechterung häufig (zum Teil auch zu Recht) leugnet und abstreitet („Ich hab alles im Griff“).

Die Verantwortung, die den Eltern bei Ausbruch/Diagnose der Erkrankung aufgebürdet und von den Ärzten übertragen wurde, sollte nun wieder zurückgenommen werden (sowohl von Ärzten als auch den erwachsener gewordenen Kindern). Auf diese daraus resultierende schwierige familiendynamische Phase sollten die Eltern vorbereitet werden und gegebenenfalls unterstützt werden. D. h., sie müssen lernen, eine andere Form des Krankheitsmanagements mit den daraus resultierenden Folgen zu akzeptieren, ohne dass sie ihre bis dahin geleisteten Anstrengungen entwerten oder in Frage stellen.

Eine Patientenschulung für Jugendliche mit Epilepsie wird als Workshop angeboten, wobei die Jugendlichen über 1 ½ Tage an einem Workshop teilnehmen, ihre Eltern parallel an einem Vor- oder Nachmittag in einem kürzeren Workshop.

Folgende Themen werden in der Gruppe mit den Jugendlichen behandelt und besprochen:

  • Kennenlernen und Erwartungen klären. Wer ist außer mir noch da und wer will was besonders ausführlich?
  • Transfer in die Erwachsenenmedizin: Wie finde ich den richtigen Arzt für mich? Was muss ich künftig selbst beachten?
  • Das andere Arzt-Patienten-Verhältnis: Was ändert sich beim Erwachsenenarzt? Worauf muss ich gefasst sein? Was ist in Zukunft meine Verantwortung?
  • Krankenkasse und Co: Was wird ab 18 anders? Worauf muss ich achten? Zuzahlungen und Befreiungen.
  • Zukunft und Beruf: Bewerben mit Schwerbehindertenausweis? Vorteile und Nachteilsausgleich? Zukunftsträume und Zukunftschancen. Studieren mit Behinderung. Krankheit Epilepsie: Chance oder Handicap? Wie gehe ich damit auf den Arbeitsmarkt?
  • Menschen um mich herum: Wie viel Unterstützung brauche/will ich? Umgang mit fürsorglicher Überbehütung. Wie kann ich meine Erkrankung angemessen darstellen? Umgang mit Freunden, Arbeitskollegen, Kommilitonen, Familie.
  • Meine Ressourcen: Welche Stärken habe ich? Wie kann ich mich positiv präsentieren?
  • Urlaub von der Krankheit/Urlaub mit der Krankheit: Was kann ich mir an Schlamperei erlauben? Wie viel Krankheit muss ins Handgepäck? Was darf der Urlaub kosten?
  • Abschluss und Transfer: Was hat mir der Kurs gebracht? Was kann ich demnächst umsetzen?


Folgende Themen werden in der Gruppe mit den Eltern behandelt und besprochen:

  • Verantwortung abgeben: Wie viel? Wann? Und wann nicht?
  • Wie zeigen Sie Ihrem Kind Vertrauen / Liebe / Wertschätzung / Stolz?
  • Mit wem können Sie über Ängste und Kümmernisse reden?
  • Wie können Sie das Aushalten für sich erträglich organisieren?


N. Gebert, I. Menrath, U. Thyen


In Lübeck ist ein ModuS2
Epilepsie-Transitionskurs für Eltern und Jugendliche geplant
Alter: 15 - 19 Jahre.
Samstag, 8. Februar, 10:00 - 18:00 Uhr, und Sonntag, 9. Februar 2014, 10:00 - 13:00 Uhr

Kontakt:

Frau Susanna Langeloh
Tel.: 0451 5002606
susanna.langeloh(at)uksh.de

Prof. Dr. Ute Thyen, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, UKSH- Campus Lübeck Ratzeburger Allee 160.
Bei Teilnehmern aus weiter entfernten Orten können wir im Ronald McDonald Haus auf dem Campus anfragen, ob dort eine Übernachtung möglich ist.
Die Teilnahme an dem Workshop und der Elterngruppe ist im Rahmen der Studie kostenlos. Wir bitten die Teilnehmer und ihre Eltern, vor und nach dem Workshop Fragebögen auszufüllen, wie es ihnen geht und wie der Workshop gefallen hat. Mindestens ein Elternteil muss an dem begleitenden Workshop teilnehmen.