Und wo, bitte, bleiben die Patienten?

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Aufgrund einer neuen Arzneimittel-Regelung verschwinden in Deutschland wirksame Medikamente wieder vom Markt. Besonders hart trifft das Menschen mit Epilepsie.

Petra M.*, 38 Jahre, lebt seit 12 Jahren mit der Erkrankung Epilepsie. Nach vielen Versuchen mit verschiedensten Medikamenten hat das neue Antiepileptikum Fycompa® mit dem Wirkstoff Perampanel den Durchbruch gebracht: Seit eineinhalb Jahren ist sie nun anfallsfrei, bald darf sie auch wieder Autofahren.
Auch Manfred L.*, 41 Jahre, hat Fycompa® geholfen. Er ist zwar nicht anfallsfrei, aber die Anfälle finden nur noch nachts statt und ermöglichen ihm einen weitgehend normalen Alltag.
Beide sind im Epilepsiezentrum in Erlangen in Behandlung, eines der wenigen bundesweiten Zentren, die für als therapieresistent geltende Betroffene oft die letzte Hoffnung darstellen, und in denen neue Medikamente als Erstes eingesetzt werden.

Ungefähr 500-800.000 Menschen in Deutschland leiden an Epilepsien, die in vielen Fällen medikamentös gut behandelbar sind. Doch etwa 30% sind therapieresistent. So wie der 11-jährige Cedric Bake von der Epilepsieambulanz des Marienhospitals in Witten, der täglich mit drei großen Anfällen zu kämpfen hatte und dank Fycompa endlich anfallsfrei ist. Für ihn und seine Eltern eine große Entlastung. Oder Lisa Hofmann, 50, die in der Bonner Universitätsklinik behandelt wird und deren Anzahl und Schwere der Anfälle durch Fycompa® drastisch reduziert wurde. Seit zwei Jahren genießt die aktive, fröhliche Frau erstmals ein Leben mit langen anfallsfreien Phasen.

Ihnen und vielen anderen Patienten, die von dem neuen Wirkstoff profitieren, steht das Medikament seit Anfang November nicht mehr zur Verfügung. Denn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) attestierte ihm nicht den erforderlichen „Zusatznutzen“.

Hintergrund: Seit 2011 ist das AMNOG (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz) in Kraft, das besagt, dass Wissenschaftler überprüfen müssen, ob die neuen Medikamente gegenüber einer bewährten Vergleichstherapie einen höheren Nutzen bringen. Doch gerade bei neurologischen Erkrankungen wie Epilepsie ist eine solche Überprüfung mittels Gruppenvergleichen fragwürdig und schwierig. Denn, so Prof. Dr. Hajo Hamer vom Epilepsiezentrum Erlangen, „Epilepsiepatienten reagieren bekanntlich sehr unterschiedlich auf Antiepileptika. Reine Gruppenvergleiche aber können dieses individuelle Ansprechen auf eine Therapie nicht berücksichtigen.“ Nach der Bekanntgabe des G-BA-Beschlusses äußerte sich Professor Bernhard Steinhoff vom Epilepsiezentrum Kork bestürzt: “Bedeutende Praxiserfahrungen, wie sie für Perampanel in Deutschland vorliegen, zu ignorieren, ist ein Fehler, (…) ich hatte gehofft, dass der G-BA das Potenzial des neuen Wirkstoffes anerkennen würde.“ Und Dr. Susanne Fauser von der Epilepsieambulanz der Uniklinik Ulm befürchtet, „dass solche Gesetze die Entwicklung neuer Substanzen gegen epileptische Anfälle hemmen, da es für die Pharmaindustrie nicht mehr lukrativ sein wird, ein neues Medikament für viele Millionen Euro zu entwickeln, das kaum Chancen haben wird, auf den deutschen Markt zu kommen.“

Die Folgen sind nicht allein für die Patienten katastrophal. Sie wirken sich auch auf andere wichtige Bereiche der Medizin; Forschung und Weiterbildung negativ aus.

Natürlich protestieren die medizinischen Fachgesellschaften, voran die Deutsche Gesellschaft für Epileptologie, gegen diese neuen Vorgaben und schlagen sinnvolle patientenorientierte Alternativlösungen vor, wie sie in anderen europäischen Ländern angewandt werden. Bislang vergebens.

So ereilte Fycompa® des Herstellers Eisai nun das gleiche Schicksal wie bereits das Epilepsie-Medikament Trobalt® des britischen Herstellers Glaxo Smith Kline, das vor dem G-BA keine Gnade fand und in Deutschland vom Markt verschwand.

Und Lisa Hofmann und Manfred L. und all die anderen? Sie können dann nur noch das Medikament im Ausland beziehen – ein nervenaufreibender und aufwändiger Prozess.

* Name der Redaktion bekannt

Susanne Rudolph/Susanne Fey/Doris Wittig-Moßner