Pressemeldung

Der Tod kam in der Nacht. Sebastian erlag dem SUDEP (sudden unexpected death in epilepsy), dem plötzlichen Tod bei Epilepsiekranken. Einem Tsunami gleich traf uns diese Nachricht. Auch wenn der Wirbelsturm sich ausgetobt hat, er ist immer noch in Bewegung – wenn auch auf leiseren Sohlen.

 

Im Alter von 28 Jahren verstarb unser Sohn. Zweieinhalb Jahre sind seitdem vergangen – gefühlt nicht länger als ein Wimpernschlag.

 

Unsere Gegenwart teilt sich jetzt in DAVOR und in DANACH.

 

DAVOR

Der gesunde Junge. Unbeschwerte sonnenreiche Jahre. Unser Sohn war bis zum Ausbruch seiner Epilepsie ein gesundes und altersgerecht entwickeltes Kind. Der erste Anfall kam aus heiterem Himmel, im Alter von 2¾ Jahren. Myoklonisch-astatisches Anfallsleiden war die Diagnose damals. In den letzten Jahren sprachen die behandelnden Ärzte vom Lennox-Gastaut-Syndrom. Tiefe Täler durchschritten wir mit unserem Kind. Zahlreiche und lange Krankenhausaufenthalte kennzeichneten seine und unsere Biografie. Sein möglicher, plötzlicher Tod war oft in meinen Gedanken. Sebastian gehörte zu dem gefährdeten Personenkreis derer, die einem SUDEP erliegen.

 

Die schweren Sturzanfälle. Ich erinnere mich noch an die meisten. Manchmal hatte Sebastian Glück und die Verletzungen waren nicht so schlimm. Wir konnten ihn nicht schützen, sie kamen aus dem Nichts heraus. Immer wieder die Angst, dass die tiefe Bewusstlosigkeit in den Tod führen konnte – die Erleichterung, wenn er wieder “da war“. Oft schauten wir sorgenvoll in die Zukunft. Kindergarten, Schule, anthroposophische Einrichtung, so war schließlich sein Weg.

Immer wieder fragten wir uns: Was wird eigentlich werden, wenn wir mal nicht mehr für ihn sorgen können, selbst alt sind oder verstorben? Eigentlich war alles geklärt. Betreuung, testamentarische Verfügungen, aber wer würde sich kümmern? Sein Bruder lebt so weit weg und hat eine eigene Familie. Seinerseits immer ein beruhigendes Schulterklopfen.

Von einem Tag zum anderen verließ Sebastian die Einrichtung, in der er 11 Jahre zuhause war und wir ihn gut aufgehoben dachten. Vieles stand im Raum, bis wir Gewissheit hatten. Was man ihm dort angetan hatte – wir können es nur ansatzweise erahnen. Er kam zu uns nach Hause, anschließend in eine Kurzzeitpflegeeinrichtung. Er fühlte sich dort wohl und konnte seinen bisherigen, problembeladenen Alltag hinter sich lassen. Im Februar 2016 sollte er in ein neues Umfeld ziehen, er freute sich darauf.

 

Sebastian wurde schwächer. Seine Leistungsfähigkeit ließ merklich nach. Er schlief mehr als sonst. Man sagte es uns. Wir beobachteten es auch, schoben es auf das vergangene Jahr, das nicht einfach für ihn war. Er würde sich erholen, wir waren uns sicher.

 

Drei Monate zeichnete das Epicare keine nächtlichen Anfälle mehr auf. Bis dahin hatte er monatlich sechs bis acht Anfälle. Zunächst dachten wir an einen Fehler des Gerätes. Nein, es stimmte alles. Auch zuhause beobachteten wir keine nächtlichen Grand-mals.

 

Es lief gut in der Kurzzeitpflegeeinrichtung, so beschlossen mein Mann und ich kurzerhand, Sebastians Bruder in den USA für 2 Wochen zu besuchen. Es war ein Abschied für immer.

 

Auf der Rückreise klingelte das Telefon meines Mannes: Sebastian war verstorben. Er lag am Morgen tot im Bett. Die Todesursache: SUDEP

 

DANACH

Alles Erleben – positives wie negatives – steht immer im Kontext zu Sebastians Tod.

 

Wir schauen dankbar zurück. Dankbar, dass er bei uns war. Er war für uns alle ein großes Geschenk. Wir haben ihn sehr geliebt und er hat uns sehr viel Liebe gegeben.

 

Margret Meyer-Brauns, München

© Quelle: pixabay.com