Mein Weg mit Epilepsie
In loser Reihenfolge stellen wir immer wieder Betroffene vor, die uns ihren ganz eigenen Weg mit der Erkrankung schildern und zeigen, wie sie ihr Leben mit Epilepsie bewältigen.
Hier die Geschichte von Vanessa Weber, 40 Jahre alt und Mutter von drei Kindern (8, 13 und 17 Jahre), Sportlerin und Model aus Karlsruhe. Von Beruf ist sie Kauffrau für Bürokommunikation, Musik- und Stimmpädagogin, außerdem aktives Mitglied bei der Deutschen Epilepsievereinigung e.V. und seit 2019 Botschafterin für „Global Epilepsy Exchange“.
Diagnose und Behandlung
Ich bin seit der Jugend erkrankt, meine vermutlich genetisch bedingte generalisierte Epilepsie äußert sich in Absencen und tonisch-klonischen Anfällen. Meine großen Anfälle sind inzwischen gut eingestellt, aber ich war nie frei von Absencen. Meine Anfallsbereitschaft wird durch eine bestehende hohe Fotosensibilität erhöht, die 2002 festgestellt wurde. Während eines Reha-Aufenthalts in der Reha-Klinik des Epilepsiezentrums in Bethel im Sommer 2019 bekam ich die Empfehlung, dass diese Lichtempfindlichkeit durch das Tragen einer Spezialbrille abgemildert werden kann. Die Umsetzung und Anpassung waren gar nicht so einfach, aber ein Optiker in Karlsruhe nahm sich der alles andere als alltäglichen Aufgabe an und konnte mir nach einigen Wochen zwei Sportbrillen mit den erforderlichen Gläsern überreichen.
Haben Sie schon vor Ihrer Erkrankung von Epilepsie gehört?
Während der Schulzeit und dem Studium gab es keinerlei Anzeichen bei mir. Ich kannte auch niemanden mit einer solchen Erkrankung und hatte noch nie davon gehört.
Hatte die Epilepsie Auswirkungen auf Ihr Berufsleben?
Ich muss zugeben, dass mich die Diagnose vor nun rund 25 Jahren ziemlich „kalt“ gelassen hat. Zum damaligen Zeitpunkt habe ich mich nicht wirklich damit befasst, sondern nahm es einfach so hin und schluckte die verordneten Tabletten. Auch an meinem Lebensstil änderte ich nichts.
Bei meiner Berufswahl bzw. in meinem Berufsleben hatte ich ebenfalls keine Einschränkungen. Die Epilepsie trat zum ersten Mal im Teenageralter auf, was mich aber nicht daran hinderte, eine Ausbildung zur Marketingassistentin bei einem großen internationalen Pharmakonzern zu machen. Bis zu meiner Hochzeit und der ersten Schwangerschaft war ich beruflich sehr erfolgreich. Auch Pendeln war später für mich kein Problem – ich wählte die Bahn. Nur 2018 hatte ich leider einmal Pech bei meinem Arbeitsplatz und bekam durch dortiges Mobbing viele Anfälle. Heute bin ich vor allem ehrenamtlich engagiert.
Was ist für Sie persönlich die größte Einschränkung durch Ihre Epilepsie?
Ich habe meine 13-jährige Tochter gefragt, weil mir nichts eingefallen ist: Sie sagte sofort, dass ich kein Auto fahren dürfe. Da hat sie schon manchmal recht. Mit drei Kindern nervt es ab und zu, alles mit dem Fahrrad oder mit der Bahn zu machen. Aber es ist machbar...
Verbinden Sie mit der Krankheit auch etwas Positives?
Zur Epilepsie kamen in den letzten Jahren verschiedene Gelenkerkrankungen sowie allergisches Asthma hinzu. Seit 2012 besitze ich einen Schwerbehindertenausweis mit 70 GdB. Trotz alledem habe ich 2016 eine der schönsten Sportarten für mich entdeckt: das Klettern! Weitere persönliche Interessen sind Bouldern, Schwimmen und Fahrrad fahren.
Sport war schon immer ein sehr wichtiger Teil in meinem Leben – er verbessert die Lebensqualität und das Selbstbewusstsein wird gestärkt. Ich möchte meiner Umwelt zeigen, dass man seine Träume und Ziele auch mit Handicap verwirklichen kann. Ich finde Sport ganz wichtig und man sollte sich nicht von anderen einschüchtern bzw. davon abhalten lassen!
Was war Ihr negativstes Erlebnis in Bezug auf Ihre Epilepsie?
In der Zeit der Diagnose hatte ich auch meinen ersten Freund – ich war nicht aufgeklärt und wurde ungewollt schwanger. Die möglicherweise schädliche Wirkung der starken Antiepileptika für den Fötus schien einen Schwangerschaftsabbruch erforderlich zu machen.
Danach wurde mir erst klar, was ich überhaupt für Tabletten nehme. Ich hasste alles um mich herum, die ganze Welt, diese Tabletten, die mir mein ungeborenes Kind genommen hatten.
Was war Ihr positivstes Erlebnis in Bezug auf die Erkrankung?
Meine drei Kinder – trotz Einnahme der Antiepileptika und mein Sport, vor allem das Klettern!
Was sind Ihre aktuellen Pläne?
Meiner Fortschritte im Klettersport wegen sollte ich sogar als Teilnehmerin bzw. Athletin für das Paraclimbing Team Germany am World Cup 2021 in Innsbruck teilnehmen. Doch es kam alles anders als erwartet. Leider wurde ich nicht klassifiziert und somit nicht zum Start zugelassen. Das Klassifizierungsteam begründete die Absage damit, dass meine Epilepsie nicht als klassifizierbar eingestuft werden könne. Man ließ mich nicht einmal vorklettern, auch meine medizinischen Dokumente wollte sich niemand anschauen. Stattdessen wurde meine Muskelkraft getestet, welche ich mir die letzten Monate angeeignet hatte. Ich bin sehr stark geworden – angeblich zu stark für einen Paraclimbing-Wettkampf! Anfangs war ich schon sehr enttäuscht: Meine Mission, Sport und Epilepsie durch diese World Cup-Teilnahme voranzubringen, war leider gescheitert.
Genau wie vor mehr als 25 Jahren wurde ich wieder wegen der Epilepsie vom Sport ausgeschlossen. Damals hatte man mich vor allem beim Schwimmen nicht mitmachen lassen. Doch das ändert selbstverständlich nichts an meiner Leidenschaft für das Klettern. Es sollte wohl so sein, letztes Jahr war es die Corona-Pandemie – dieses Jahr sind es die neuen Klassifizierungs-Kriterien …
Derzeit widme ich mich neuen Kletterzielen sowie einigen Foto-Projekten – neben der eigenen kleinen familiären „Menagerie“ versteht sich.
Eines der Projekte: Die Epilepsie mit der Kamera künstlerisch festzuhalten. Dieses entstand in Zusammenarbeit mit dem großartigen Fotografen Rainer Hinz.
Vanessa Weber
zusammengefasst von Doris Wittig-Moßner
Kontakt:
Facebook: Vanessa Weber
Instagram: epilepsyvanessa