OP sei Dank!

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Anfallsfreiheit nach fast vier Jahrzehnten

 

Ich heiße Karin, bin 51 Jahre alt, und arbeite als Büroangestellte. Nach langen Jahren und vielen Medikamenten-Kombinationen wurde ich nach fast 40 Jahren durch eine Operation anfallsfrei.

 

Im Alter von zwei Jahren bekam ich Masernencephalitis. Die Ärzte gaben mir anfangs keine Überlebenschance, aber ich schaffte es. Allerdings bildete sich eine Narbe im Gehirn und es wurde bereits damals darauf hingewiesen, dass eventuell mit Folgen zu rechnen sei.

 

Im Alter von elf Jahren bekam ich den 1. Anfall. In den ersten Jahren waren es komplex-partielle und sekundär-generalisierte Anfälle. Ich fiel zu Boden, verkrampfte und es kam weißer Schaum aus dem Mund. Ich hatte wöchentlich ca. zwei Anfälle. Es gab auch schlimmere Zeiten …

 

Auch nach einem viermonatigen Aufenthalt in einem Epilepsie-Zentrum wurde meine Anfallssituation nicht besser, sondern schlechter. Damals wurde mir gesagt, dass ich nicht operiert werden könne. Es sei zu riskant und wäre schlimmer als der jetzige Zustand.

 

Jahrelang war ich bei mehreren Neurologen in Behandlung. Neue Medikamente, die Dosis wurde erhöht usw. Die Anzahl der Anfälle, in den letzten Jahren fokal-generalisiert, verringerte sich, aber anfallsfrei wurde ich nicht.

 

Ein Vortrag brachte die Wende

Ulrike Jungwirth, die Leiterin der Epilepsie-Beratungsstelle Niederbayern, redete ebenfalls mit mir über meine Anfälle. Aber ich hatte die Hoffnung bereits aufgegeben. Dann wurde ich Mitglied in der Passauer Selbsthilfegruppe (SHG) und mein Leben veränderte sich. Eine SHG kann ich nur empfehlen und auch die Teilnahme an einem Wochenendseminar auf Schloss Hirschberg, das der Landesverband Epilepsie Bayern e.V. jährlich veranstaltet.

 

Eines Tages hielt Prof. Dr. Noachtar vom Klinikum München-Großhadern einen interessanten Vortrag in Passau. Das gab mir den Anstoß, es nochmals mit einer OP-Diagnostik zu versuchen.

 

Nach mehreren Untersuchungen (EEG-Monitoring, Aufnahmen/Radiologie usw.) konnte in der Klinik in München festgestellt werden, ich kann operiert werden. Ich musste nicht lange überlegen. Meine Familie und die SHG waren eine große Unterstützung. Ich hatte mich schon lange nicht mehr so gefreut wie zu diesem Zeitpunkt. Angst hatte ich keine.

 

Bereits beim OP-Gespräch am Vortag wurden Nachwirkungen erwähnt: Kopfschmerzen, Probleme beim Kauen bzw. mit dem Kiefer, Verlust von Geschmacks- und Geruchssinn. Aber die OP verlief gut, es gab keine Komplikationen. Es wurden Gewebeteile bzw. ein Teil der Narbe im linken Hippocampus entfernt. Abends wachte ich auf der Intensivstation auf und lachte bereits.

 

Am nächsten Tag war ich wohlauf, nachmittags wurde ich schon „herumkommandiert“. Ich bekam Medikamente für die Kopfschmerzen, für die Probleme mit dem Kiefer gaben mir die Ärzte den Tipp, Kaugummi zu kauen. Geschmacks- und Geruchssinn waren nach ca. zwei Monaten zurück. Also alles wieder ok. An dieser Stelle: Ein großes Lob an das Personal (Ärzte, Pfleger, Krankenschwester usw.)!

 

Die bei der OP verwendeten Fäden aus Spezialmaterial lösten sich selbst auf. Am 9. Tag wurden mir dann noch die Fäden, die abends auf der Intensivstation nachgenäht wurden, entfernt. Danach durfte ich die Klinik verlassen. Der Abschied fiel mir teilweise schwer, da es dort auch sehr lustig war. x

 

Bisher läuft alles gut

Drei Monate nach der OP musste ich zur Kontrolluntersuchung. Der Arzt und ich waren von den Nachuntersuchungen (CT-Aufnahme, EEG) begeistert. Die Narbe ist inzwischen sehr gut verheilt und kaum noch zu sehen. Seit der OP bin ich anfallsfrei. Die Dosis der Medikamente ist um mehr als 50 % reduziert worden. Dies werden wir jetzt erst noch einige Jahre so weiterführen, bevor wir gemeinsam über den vielleicht letzten Schritt, das komplette Absetzen der Medikamente, entscheiden.

 

Familienangehörige, Freunde, Arbeitskollegen sagen mir, dass ich ein anderer Mensch geworden sei. Die OP hat mich sehr verändert. Auch mein Privatleben. Endlich allein ohne Begleitperson etwas machen. Meinen Angehörigen ist eine große Last genommen worden. Ich habe wieder mehr Lust und Freude, etwas zu unternehmen. Die Angst, die ich vorher immer hatte, ist weg.

 

Mein negativstes Erlebnis:

Ich habe zu lange gewartet, da immer von einer OP abgeraten wurde – viele Jahrzehnte!

 

Mein positivstes Erlebnis:

Ich bin seit der OP im März 2020 anfallsfrei!

 

Mein Fazit:

Wenn ein Mensch mit Epilepsie operiert werden kann, dann Kopf hoch und durch. Alles wird gut!

 

Karin Wagner

 

PS: Seit der OP bekomme ich öfter mal Lachanfälle. Ich weiß nicht wieso, weshalb, warum. Aber ich muss plötzlich lachen und kann nicht aufhören. Vielleicht doch eine „Nebenwirkung“. ;-)